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Ein lediger Geist
5. Februar, 1980
von
Ajaan Fuang Jotiko
übersetzt aus dem Thailändischen von
Thanissaro Bhikkhu
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
Laien für ZzE
Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden

Ajahn Fuang erlaubte es nur selten, daß seine Reden aufgezeichnet wurden und war eher unnachgiebig wenn es um eine Erlaubnis dazu ging. Dennoch, aus irgendeinem Grund, wurde das folgende Gespräch mit seiner Erlaubnis aufgenommen. Darin gibt er einigen seiner Schülern – jungen Frauen in ihren späten Zwanzigern und frühen Dreißigern – die von ihren Eltern unter Druck gesetzt wurden, sich sesshaft zu machen, zu heiraten und Kinder zu bekommen, Erklärungen. Da waren andere Anlässe, zu welchen er gefragt wurde, und da gab er vielen seiner Schüler, die eine Heirat planten, Rat, wie man ein glückliches Eheleben führt. Dennoch ist es leicht aus dieser Diskussion zu sehen, wo sein Herz wirklich lag.

Schüler: Wenn ich jemanden ein Kind tragen sehe und dem ein paar Gedanken schenke, ist alles, was ich sehen kann, viel Leiden.

Ajaan Fuang: Das stimmt. Gib dem viele Gedanken.... Wenn da einmal Geburt ist, muß da viel Leiden sein. Wir alle leiden in dieser Weise. Zu erst ist da dein eigenes Leiden, und dann gibst du das Leiden an andere weiter. Schau dir das Baby an. Was ist das? Woher kommt es? Buddha sagt, daß dies Leiden ist; es kommt aus der Kraft von Begierde und den Veruntrübungen. Zu erst mußt du es in deinem Bauch herumtragen, wenn es dann geboren ist, trägst du es an deiner Hüfte herum, und wenn es zu gehen beginnt, mußt du es an der Hand begleiten. Wenn du diese Art von Dingen siehst, wird dein Herz einfach...

Schüler: Welkt.

Ajaan Fuang: Ajahn Fuang: Ja. Es verwelkt. Das ist es, was einem eine Vorstellung von samvega gibt. Das sind die Dinge, die du für deine Praxis magst. Sie sind deine Lehrer. Sie nennen es deine Lehrer. Frag dich selbst: „Ist es das, was du aus deinem Leben erwartest? Ist es das, was du möchtest, solche Art von Dingen?“ Nicht wirklich. „Dann, wenn du solche Dinge nicht magst, sieh zu, daß du fern von ihnen bleibst.“ Wie oft hast du dir das schon selbst gedacht? Es ist ja nicht zum ersten Mal, und du weißt das. Du bist dieser Festhalten-Tragen – dich-selbst-nieder-drücken-Routine lange, lange Zeit nachgegangen – hunderte, tausende von Äonen. Wenn du dabei bleibst, darin involviert zu sein, gibt es keinen Weg für dich da heraus.

Geburt, Altern, Krankheit und Tod: diese Dinge sind normal. Geburt ist der gewohnte Weg von Dingen, Altern ist der gewohnte Weg, Krankheit und Tod sind die gewohnten Wege, wie Dinge laufen. Das ist der Punkt, an dem ein Sinn für Ernüchterung aufkommen kann. Es ist dir möglich, den Griff, den diese Dinge an dir haben, zu verlieren. Du kannst sie herausziehen, ihre Wurzeln, ja alles.

Wir haben als die Sklaven der Veruntrübungen und Begierde nun schon für wie lange Zeit gelitten. Kannst du dich erinnern? Frag dich selbst. Kannst du dich an das, was du durchgemacht hast, erinnern? Und für wie lange noch möchtest du diese Dinge passieren lassen – dieses Festhalten und Tragen und dich selbst schwer machen? Wie viele Äonen hast du das schon gemacht? Zehntausend, Hunderttausend Äonen. Kannst du sie zählen? Sicher kannst du das nicht. Und für wie lange noch mußt du in dieser Weise leiden? Wenn du immer noch stur bist, immer noch unwillig auf Buddhas Lehren zu hören, dann ist dies die Art der Früchte, die du von deinem Leben erwarten kannst. Willst du das? Magst du das? Wenn du das nicht magst, dann solltest du beginnen, Güte in deinem Geist zu entwickeln, sodaß du den Weg heraus aus dem erkennen kannst, sodaß du deine Veruntrübungen sehen kannst, sodaß du Leiden und die Verletzungen, die sie verursachen, erkennen kannst.

Sieh auf das Leiden. Sieh auf die Vergütungen aus dem Leiden. Wenn Leute denken, daß wir wenig leiden, finden sie immer gleich mehr Leiden für uns. Selbst die fünf Aggregate versorgen uns mit mehr als genug Leiden – das Leiden, das wir nur mit uns selbst haben. Wenn jene also über das Glück, das sie anderen zuteil kommen lassen, sprechen, welches Glück genau ist das? Nichts als noch mehr Leiden. „Schätze“, die dir Leiden bringen. Unsere Eltern möchten, daß wir heiraten, einen Partner und eine Familie haben. Sie hatten massenhaft Leiden, um uns groß zu ziehen, und dennoch ist es jetzt noch nicht genug. Wieviele Kinder hat deine Mutter in ihrem Bauch ausgetragen? Und nun trachtet sie nach mehr Leiden für ihre Kinder.

Schüler: Than Phaw, ist es wahr, wenn sie sagen, daß Frauen eine große Menge von Verdiensten erlangen können, wenn sie jemandem die Möglichkeit geben, geboren zu werden?

Ajaan Fuang: Wenn das wahr ist, dann würden Hunde ganze Berge von Verdiensten erlangen, indem sie ein jedes mal gleich eine Schar werfen. Nein, das ist einfach nur Propaganda von jenen, die immer mehr und mehr Wesen in dieser Welt geboren sehen wollen.

Schüler: Wenn Leute einander heiraten wollen, dann ist das, weil sie eine Menge schlechtes Karma miteinander haben. Ist das richtig?

Ajaan Fuang: Ja das ist richtig. Sieh dir nur an, was sie machen. Da ist keine Erklärung notwendig. Es ist nichts anderes, als sich gegenseitig zu verpflichten, sich gegenseitig Kummer und Schmerzen zu bereiten. Da ist kein wahres Glück zu finden; nichts als Leiden. Zu heiraten ist kein Weg, um zu entkommen. Tatsächlich ist alles, was du machst, noch mehr Leiden auf dich zu stapeln. Buddha lehrte, daß die fünf Aggregate eine schwere Bürde sind, wenn du nun heiratest, hast du mit einem Schlag zehn, um die du dich kümmern mußt, dann fünfzehn und zwanzig. Und da ist kein Ende dieser Sache. Sobald ein Kind geboren wird, geht es damit einher, dann geht es mit dem anderen einher. Es ist nicht der Fall, daß es ab dem Zeitpunkt, an dem es herausplumpst, keine Medizin braucht, daß wir es einfach alleine lassen können und es Tag und Nacht wachsen wird. Ohh, all die Dinge, die du tun mußt, bis es wächst! Es ist anfänglich so klein und kann zuerst nur da liegen. Dann denke daran, was es alles braucht, bis es sitzen kann, und dann, was es alles braucht, bis es steht, und dann, was es alles braucht, bis es gehen kann. Wann war es jemals ein leichtes, ein Kind großzuziehen? Und das ist noch nicht alles. Sobald du dich zum Ausruhen hinlegen möchtest, beginnt es zu schreien. Du legst dich nur ein wenig hin, und es schreit. Da ist nichts wundervolles daran.

Wenn Leute dich dazu drängen, zu heiraten und Kinder zu bekommen, ist das, wie wenn jemand spricht, der gerade in einen Haufen von Exkrementen gestiegen ist, und dann herausfinden möchte, wie man andere Leute dazu bringt, ebenfalls hineinzusteigen, um sich selbst etwas leichter in seinem Missgeschick zu fühlen. Ja, es ist Karma, das Leute dazu bringt, heiraten zu wollen. Karma ist, was ihre Vision vereinnahmt. Sie können nicht sehen, daß das, was sie wollen, eigentlich eine Form von Leiden ist. Für sie ist es etwas wundervolles, denn es ist das Beste, was sie kennen. Das Beste, was sie haben. Sie kennen nichts besseres als das.

Wenn deine Eltern wollen, daß du heiratest, dann deswegen, weil sie nichts besseres kennen. Bring sie dazu, zu meditieren, und sie werden es verstehen: „Ohh! Wo die da durch sind, das ist Leiden!“ Um in dieser Art die Dinge zu sehen, bedarf es, zu meditieren. Wenn du nicht meditierst, würdest du das nicht sehen. Wenn du nicht meditierst, wirst du die Dinge so wie sie sehen. Selbst wenn du meditierst, wirst du immer noch die Dinge wie sie sehen. Es ist nicht einfach, sich aus dieser Art des Denkens herauszuziehen. Es ist ganz und gar nicht leicht. Wenn die Kraft dieser Veruntrübungen sich nicht hingeben wurde... Nur wenn deine Sichtweise gestrafft ist und du wirklich losläßt: nur dann ist für dich Schluß mit diesen Dingen.

Selbst die Devas im Himmel: sie befriedigen sich immer noch mit Formen, Klängen, Gerüchen, Geschmack und körperlichen Empfindungen. Sie sind immer noch zu befriedigen mit dem, was sie bekommen haben. Sie sind betört von der Art, wie sie aussehen, den Klängen und Gerüchen, betört von ihren Begleitern. Sie sind von Sinnesbegierde niedergebunden, an Händen und Füßen, was auch der Grund ist, daß es sie stört, wenn wir meditieren. Sie sind ängstlich, daß wir verschwinden würden. Sie sind überzeugt darin, dies nicht passieren lassen zu wollen. Wenn wir meditieren und unser Geist zur Ruhe kommt, kommen sie und attackieren uns, reiben uns auf, sodaß wir uns zurück auf alte Pfade drehen, sodaß wir den richtigen Pfad zur Befreiung aus dem Leiden nicht sehen können. Das nennt man Karma. Karma, das uns in den Runden von Samsara hält, Karma, das uns dazu bringt, in die Reihen von allen anderen zu fallen, und daß wir so den Pfad der Befreiung nicht sehen. Alles, was wir sehen können, ist der Pfad, wie wir feststecken, feststecken bleiben im Leiden.

Schüler: In diesem Fall dann, wenn du denkst, daß du deine zweite Hälfte gefunden hast, hast du dann jemanden gefunden, der einige deiner alten Karmapflichten hält.

Ajaan Fuang: Was denkst du sonst? Es ist wie mit Hufeisenkrabben. Hast du diese jemals gesehen? Sie leben im Meer. Auch sie haben ihren Partner. Wo immer sie hingehen, gehen sie gemeinsam. Das Männchen weiß nicht, wie es sich ernähren soll, und so reitet es auf dem Rücken des Weibchens.

Schüler: Wie können wir dem allen dann entkommen? Wir können das nicht abwenden, oder können wir, Than Phaw? ...wenn wir wirklich wollen?

Ajaan Fuang: Wenn du diese Art der Dinge wirklich nicht magst, dann lass keine Hufeisenkrabbe einen Halt an dir finden. Alles in allem, ist es nur ein tierischer Instinkt. Tiere müssen ihren Partner haben, um ihre Spezies zu vergrößern, um ihren Einfluß zu erhalten. Aber wenn wir an dem nicht teilnehmen möchten, bleiben wir dem ganzen einfach fern. Dein Partner kann nur dann eine Rückvergütung von Verpflichtungen aus deinem Karmaschulden verlangen, wenn du involviert bist.

Schüler: Kann man wirklich entkommen?

Ajaan Fuang: Warum sollte es dir nicht möglich sein, entkommen zu können? Halte dich einfach raus, laß dich nicht vereinnahmen. Versuche, deinen Geist stark zu halten, und lass ihn nicht wandern. Entwickle deine Perfektionen so, daß sie größer und größer werden, und all diese anderen Begierden werden einfach selbst verwelken. Sie sind wirklich seicht, du weißt das, und mit nichts als mit Leiden verbunden. Sie kommen hoch, weil wir angetan von unseren eigenen Körpern sind, aber wenn du dir ein Bild über dich selbst im Zuge der Meditation machst, wird das zerfallen. Zerlege ihn, und was bleibt übrig? Irgend etwas? Ganz und gar nichts. Es liegt alles an der Form. Wenn du die Form auseinander nimmst, ist da nichts übrig. Und welche Substanz ist da in der Form? Schau drauf. Nimm sie auseinander. Da ist nichts außer Erde, Wasser, Wind und Feuer. Ist da irgend etwas, von dem man angetan sein sollte?

Schüler: Nein, nichts.

Ajaan Fuang: Und wenn tief und fest schläfst. Weiß dein Körper irgend etwas von Begierde?

Schüler: Nein, ganz und gar nicht.

Ajaan Fuang: Der Geist ist der Anstifter. Der Körper für sich selbst hat damit nichts zu tun. Er agiert einfach unter der Anleitung seines Bosses: des Geistes. Der Körper hat keine Ahnung von irgend etwas. Er ist von den Anweisungen seines Bosses abhängig. Wenn also der Boss sagt: „Genug! Nichts mehr!“, dann ist dies das Ende der Geschichte. Der Geist kämpft oder dürstet nicht. Was da dürstet, ist das Aggregat der Fabrikationen (sankhara). Wenn du dich an den Fabrikationen einklinkst, dann ist dies die Essenz des Leidens – Lange-Zeit-Leiden. Wenn du dir den Körper betrachtest, dann wirst du wirklich keine Gründe finden. Alle Gründe kommen aus den Fabrikationen. Wenn der Geist da durchbrechen kann und die Anhaftung an den Körper versteht, woher sollte dann noch Begierde kommen?

Der Körper ist nicht wirklich unser. Wenn immer du etwas siehst, das „deines“ ist, entwurzle es, nimm es auseinander und lass los. Nimm es auseinander: die Erde, das Wasser, den Wind, das Feuer. Das ist alles, was damit zusammenhängt, seit wer-weiß-wie-lange. Das ist alles, was da jetzt damit zusammenhängt. Das Problem ist, daß wir in einer Illusion darüber waren, und daher haften wir daran an. Wir waren in einer Illusion, wie jeder andere auch. Tief innen, weiß es der Geist denn nicht schon? Sicherlich weiß er das schon, denn das ist ja seine Natur: zu wissen. Wir sollten es wissen. So bring dieses Wissen herein und nimm es dir zu Herzen. Du mußt dir selbst eine Zuflucht sein, weißt du. Wenn du von der Sorte bist, die Zuflucht in anderen sucht, dann wirst du Dinge in selber Weise sehen, wie es andere tun. Das bedeutet, daß du genau so dumm sein mußt wie sie. Also zieh dich aus all dem heraus und schau es dir selber genau an, bis die Dinge für dich klar werden. Halte daran, über Dinge nachzudenken, bis da nur mehr der „Wissende“ inne ist. Dieser Wissende ist mit nichts und niemandem gekoppelt. Er hat keinen Partner. Er ist alleinstehend. Es ist einer. Er hat gar nichts. So konzentriere dich auf den Wissenden und mach ihn eins. Richte es so aus, daß er von allem los läßt. Er läßt vom Vergnügen los, er läßt vom Schmerz los, er läßt vom Gleichmut los. Er ist strahlend, ganz von selbst. Bleib darauf gerichtet, bis da nichts mehr außer einem Zustand der Einheitlichkeit ist. Dann frag dich selber: ist er männlich oder weiblich? Da ist keinerlei „männlich“ oder „weiblich“ daran. Er gibt keine Vorstellungen auf irgendetwas. Und wenn du dort angelangt bist, ist das das Ende dieser Angelegenheiten.

Jene die in mentalen Phänomenen stecken bleiben, nennt man Brahmas. Wenn sie einmal diesen Punkt der Praxis erreichen... Die Devas in ihren Himmeln haben immer noch ihre Partner, aber die Brahmas haben kein Interesse an Zeichen, Gerüchen, Klängen, Geschmäckern, körperlichen Empfindungen. Sie sind zufrieden in ihrer Einheitlichkeit...