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J 388
{Sutta: J iii 290|J 388|J 388} {Vaṇṇanā: atta. J 388|atta. J 388}
Die Erzählung von Tundila
388
Tundila-Jataka (Tuṇḍilajātakaṃ) [0a]
übersetzt aus dem Pali ins Deutsche:
Julius Dutoit

Ganz neues Futter wird uns heut

[§A]

Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf einen Mönch, der sich vor dem Tode fürchtete. Dieser nämlich, ein zu Savatthi wohnender Sohn aus guter Familie, war im Orden Mönch geworden, doch war er mit Todesfurcht erfüllt. Wenn er nur die leise Bewegung eines Zweiges, das Fallen eines Stückchens Holz, die Stimme eines Vogels oder eines vierfüßigen Tiers oder etwas anderes derart hörte, wurde er von Todesfurcht ergriffen und lief zitternd umher, wie ein in den Leib getroffener Hase.

In der Lehrhalle begannen darüber die Mönche folgendes Gespräch: „Freund, der Mönch so und so ist voll Todesfurcht; wenn er auch nur ein leises Geräusch hört, läuft er zitternd davon. Für diese Wesen aber ist nur der Tod gewiss, das Leben aber ungewiss; ist nicht gerade dies gründlich zu erwägen?“ Da kam der Meister und fragte: „Zu welcher Unterhaltung, ihr Mönche, habt ihr euch jetzt hier niedergelassen?“ Als sie antworteten: „Zu der und der“, ließ er jenen Mönch zu sich rufen und fragte ihn: „Ist es wahr, Mönch, dass du dich vor dem Tode fürchtest?“ Als jener die Frage bejahte, sprach der Meister: „Nicht nur jetzt, ihr Mönche, sondern auch früher schon war dieser voll Todesfurcht.“ Nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.

[§B]

Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva im Leibe eines weiblichen Schweins seine Wiedergeburt. Als die Sau ihre Leibesfrucht zur Reife gebracht hatte, gebar sie zwei Söhne. Eines Tages nahm sie dieselben mit sich und legte sich in einer Höhle nieder.

Da kam eine alte Frau, die in einem Tordorfe von Benares wohnte, von ihrem Baumwollenfelde mit reifer Baumwolle des Weges daher und stieß mit ihrem Stocke auf die Erde. Als die Sau diesen Ton hörte, ließ sie aus Todesfurcht ihre Jungen allein und lief davon. Die Alte sah die jungen Schweine; sie bekam mütterliche Gefühle, legte sie in ihren Korb und trug sie nach Hause. Das ältere nannte sie „den großen Tundila“ [1] [Mahatundila], das jüngere „den kleinen Tundila“ [Cullatundila] und sie zog sie auf wie ihre eigenen Kinder. In der Folgezeit wuchsen sie und wurden groß von Körper. Aber obwohl man zu der Alten sagte: „Gib sie uns um Geld“, erwiderte sie: „Es sind meine Söhne“, und gab sie niemand.

Während eines Festes nun tranken einmal Spitzbuben Branntwein und das Fleisch war ihnen ausgegangen. Während sie jetzt überlegten, woher sie Fleisch bekommen könnten, fiel ihnen ein, dass im Hause jener Alten Schweine seien. Sie nahmen Geld mit, gingen dorthin und sagten zu ihr: „Mutter, nimm das Geld und gib uns ein Schwein dafür!“ Sie aber wies sie zurück mit den Worten: „Nein, meine Lieben; kann man seine Söhne verkaufen, damit ihr Fleisch verzehrt werden soll?“ Die Spitzbuben erwiderten: „Mutter, Schweine sind doch nicht Söhne von Menschen; gib sie uns!“

Als sie aber trotz ihrer wiederholten Bitten nichts erhielten, gaben sie der Alten Branntwein zu trinken, und als sie berauscht war, legten sie ihr Kahapanas in die Hand mit den Worten: „Mutter, was willst du mit den Schweinen tun? Nimm das Geld und mache dir einen Vorteil daraus!“ Jene nahm die Kahapanas an und erwiderte: „Ihr Lieben, den großen Tundila kann ich euch nicht geben, aber den kleinen Tundila könnt ihr nehmen.“ „Wo ist er?“ „Hier in diesem Gebüsch.“ „Rufe ihn her!“ „Ich habe kein Futter.“

Darauf ließen die Spitzbuben für Geld eine Schüssel voll Reisbrei herbeiholen. Die Alte nahm ihn, füllte damit den an der Türe stehenden Schweinetrog und stellte sich in die Nähe des Troges. Die Spitzbuben, dreißig an Zahl, stellten sich ebendorthin mit Stricken in den Händen. Jetzt rief die Alte: „Lieber Klein-Tundila, he, so komm doch!“

Als dies Groß-Tundila hörte, merkte er: „Die ganze Zeit über hat meine Mutter den Klein-Tundila nicht zuerst gerufen; mich ruft sie immer zuerst. Sicherlich wird heute für uns eine Gefahr bestehen!“ Und er sprach zu seinem jüngeren Bruder: „Lieber, meine Mutter ruft dich; gehe hin und sieh!“ Jener ging aus dem Gebüsch heraus; als er aber in der Nähe des Futtertroges die Leute stehen sah, dachte er: „Heute muss ich sterben“, und kehrte von Todesfurcht erfüllt um. Zitternd kam er zu seinem Bruder zurück und konnte nicht stille stehen, sondern lief beständig zitternd umher. Als Groß-Tundila dies sah, fragte er ihn: „Mein Lieber, du zitterst heute, du läufst umher und blickst nach dem Eingang; was tust du da?“ Der andere erzählte ihm, was er gesehen, und sprach folgende erste Strophe:

[§1] „Ganz neues Futter wird uns heut gegeben. Voll ist der Trog, die Mutter steht dabei und viele Männer, Stricke in den Händen; darum gefällt es gar nicht mir zu fressen.“

Als dies der Bodhisattva hörte, antwortete er: „Lieber Klein-Tundila, der Zweck, warum meine Mutter uns Schweine bisher aufgezogen hat, ist jetzt erfüllt. Habe keine Angst!“ Und indem er mit süßer Stimme mit Buddha-Anmut die Wahrheit verkündete, sprach er folgende zwei Strophen:

[§2] „Erschreckt läufst du umher, blickst nach dem Eingang, doch schutzlos bist du; wohin willst du fliehen? Wenn auch nur widerwillig, friss nur, Tundila; des Fleisches willen sind wir aufgezogen. [§3] Steig in den See hinein, der ohne Schmutz, entferne allen Schweiß und alle Flecken; besprenge dich mit neuen Wohlgerüchen, die nie verlieren ihren süßen Duft.“ —

Während nun er, der die zehn Vollendungen betätigt und die Vollkommenheit in der Liebe zu seiner Führerin gemacht hatte, den ersten Vers hersagte, verbreitete sich dieser Schall über die ganze Stadt Benares, die doch zwölf Yojanas im Umkreise maß. Im Augenblicke, da sie ihn hörten, kamen vom König und Vizekönig angefangen alle Bewohner von Benares herbei; und auch diejenigen, die nicht herbeikamen, standen in ihrem Hause still und lauschten. Die Leute des Königs hieben das Gebüsch ab, machten den Boden eben und bestreuten ihn mit Sand. Bei den Spitzbuben hörte der Branntweinrausch auf; sie warfen die Stricke weg und blieben stehen, indem sie der Lehre lauschten. Auch bei der Alten hörte der Rausch auf. Der Bodhisattva aber begann inmitten der großen Menschenmenge, Klein-Tundila in der Wahrheit zu unterweisen.

Als dies Klein-Tundila vernahm, dachte er: „Mein Bruder spricht so; es war aber doch noch niemals da, dass unser Geschlecht in den Lotosteich hinabstieg und von seinem Körper den anklebenden Schweiß und Schmutz abwusch, dass es den alten Geruch aufgab und einen neuen Wohlgeruch annahm. Was hat wohl mein Bruder im Auge, dass er so spricht?“ Und indem er danach fragte, sprach er folgende vierte Strophe:

[§4] „Was für ein See ist ohne Schmutz, was wird genannt Schweiß und Befleckung und was ist das für neue Salbe, die ihren Duft niemals verliert?“

Da dies der Bodhisattva hörte, erwiderte er: „Höre also mit gespannter Aufmerksamkeit zu“, und indem er mit Buddha-Anmut die Wahrheit verkündete, sprach er folgende Strophen:

[§5] „Die Wahrheit [dhamma] ist der See, der ohne Schmutz, das Böse [papa] ist der Schweiß und die Befleckung, die Tugend [sila] ist der neue Wohlgeruch, der seinen süßen Duft niemals verliert. [§6] Es freut sich, wessen Körper wird getötet, nicht freut sich der, der seinen Leib behält; erfreut ob ihrer Tugendfülle, welche wie Vollmond strahlt, verlassen sie das Leben [2].“

So lehrte der Bodhisattva mit süßer Stimme mit Buddha-Anmut die Wahrheit. Die ganze Menschenmenge klappte hunderttausendfach mit den Fingern, die Gewänder flogen in der Luft umher und die ganze Luft war erfüllt von Heilrufen. Der König von Benares ehrte den Bodhisattva durch Verleihung der Königswürde; auch der alten Frau ließ er große Ehrung zuteil werden. Die beiden Brüder aber ließ er in duftendem Wasser baden, ihnen Gewänder anziehen und sie mit kostbaren Juwelen schmücken. Dann führte er sie in die Stadt, setzte sie an Sohnes statt ein und pflegte sie mit großem Gefolge.

Der Bodhisattva lehrte den König die fünf Gebote; alle Bewohner von Benares und alle Bewohner des Reiches Kasi beobachteten die Gebote. Der Bodhisattva predigte ihnen an allen Monatshälften die Lehre; er setzte sich auf den Richterstuhl und entschied die Rechtsstreitigkeiten. Solange er lebte, gab es niemand, der eine falsche Klage eingereicht hätte.

In der Folgezeit starb der König. Nachdem der Bodhisattva seinem Leichnam die letzte Ehrung hatte zuteil werden lassen, ließ er alle seine Entscheidungen in ein Buch schreiben und sagte: „Wenn ihr einen Rechtsstreit entscheidet, so sehet zuvor dieses Buch nach.“ Dann verkündigte er der Volksmenge nochmals die Lehre, ermahnte sie zur Standhaftigkeit und zog sich hierauf, während alle klagten und weinten, mit Klein-Tundila in den Wald zurück. Die Ermahnung des Bodhisattva aber blieb damals sechzigtausend Jahre in Kraft.

[§C]

Nachdem der Meister diese Unterweisung beschlossen und die Wahrheiten verkündigt hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten (am Ende der Verkündigung der Wahrheiten aber gelangte jener Mönch, der den Tod fürchtete, zur Frucht der Bekehrung): „Damals war der König Ananda, Klein-Tundila war der Mönch, der den Tod fürchtete, die Versammlung war die Buddha-Gemeinde, Groß-Tundila aber war ich.“

Ende der Erzählung von Tundila

Anmerkungen:

0a.
(Maha)Tundila ist zwar auch der Name des Bodhisattva in diesem Jātaka, seinen Namen hat das Jātaka aber wohl nach dessen in der zweiten Strophe angeredeten Bruder (Culla)Tundila.
1.
„Tundila“ heißt „der Nabel“, doch kann das Wort auch „Rüssel“ bedeuten.
2.
Der Kommentator gibt eine lange Erklärung zu diesen Strophen, wobei er auch vom Dhammapadam die Strophen 54 bis 56, 66, 67 und 130 ganz und von Strophe 69 den Anfang anführt.
[(Dhp 54.) Nicht geht der Blütenduft dem Wind entgegen, nicht Sandelduft, Tagara, nicht Jasmin; der Duft der Guten geht dem Wind entgegen, nach jeder Richtung dringet hin der Gute. (Dhp 55.) Ob Sandel-, ob Tagara-Duft, ob Lotos oder ob Jasmin: all diese Düfte übertrifft der edle Duft der Sittlichkeit. (Dhp 56.) Nur ganz begrenzt ist dieser Duft Von Sandel- und Tagara-Holz, der Sittenreinen Duft jedoch als höchster weht in Götterwelt. (Dhp 69.) Wie Honig es den Toren dünkt, solang das Böse noch nicht reift; ... (Dhp 66.) Es lebt der einsichtslose Tor gleichsam in Feindschaft mit sich selbst, indem er böse Tat verübt, die ihm gar bittre Früchte bringt. (Dhp 67.) Nicht wohl getan ist solche Tat, nach deren Tun sich einer grämt und tränenvollen Angesichts weinend die Frucht an sich erfährt. (Dhp 130.) Vor Züchtgung haben alle Angst und allen ist ihr Leben lieb; dich selbst mit allen drum vergleich und töte nicht und schlage nicht.]
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