„Hast, Viraka, du nicht gesehen“
[§A]Dies erzählte der Meister, da er im Jetavana verweilte, mit Beziehung auf die Heiligennachahmung [1]. Als nämlich die beiden Theras die Gemeinde Devadattas gewonnen hatten und zurückkehrten, fragte der Meister: „Sariputta, was tat Devadatta, als er euch sah?“ Als jener antwortete: „Er zeigte die Heiligennachahmung“, fuhr der Meister fort: „Nicht nur jetzt, Sariputta, ist Devadatta, da er etwas mir Zukommendes tat, ins Verderben gestürzt, sondern auch früher schon ging es ihm ebenso.“ Und er erzählte auf die Bitte des Thera folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, nahm der Bodhisattva in der Himalaya-Gegend als eine Wasserkrähe seine Wiedergeburt und wohnte bei einem Teiche. Er hieß Viraka. — Damals entstand im Reiche Kasi eine Hungersnot. Die Leute waren nicht mehr im Stande, den Krähen Futter zu geben, noch den Dämonen und den Nagas Opfer darzubringen. Darum verließen die Krähen in Masse das ausgehungerte Königreich und flogen in die Wälder.
Eine Krähe aber, die zu Benares wohnte, mit Namen Savitthaka, kam mit ihrem Krähenweibchen nach dem Aufenthaltsort des Viraka und nahm an dem Teiche neben jenem ihre Wohnung. Als sie sich eines Tages an diesem Teiche Futter suchte, sah sie, wie Viraka in den Teich hinabstieg, Fische verzehrte, dann wieder herausstieg und seinen Körper trocknete. Da dachte sie: „Durch diese Krähe kann man viele Fische bekommen; ich werde ihr aufwarten.“ Und sie ging zu ihr hin. Als sie gefragt wurde: „Was willst du, Liebe?“ sprach sie: „Herr, ich will dir dienen.“ Jener gab mit dem Worte: „Gut“, seine Zustimmung und von da an diente sie Viraka. Viraka aber verzehrte von da ab nur noch so viel, als er zur Nahrung bedurfte; die anderen Fische trug er heraus und gab sie Savitthaka. Auch dieser verzehrte nur soviel, als er zur Nahrung bedurfte, und gab das übrige seinem Krähenweibchen.
In der Folgezeit aber kam ihm der Hochmut und er dachte: „Diese Wasserkrähe ist schwarz und auch ich bin schwarz; auch in den Augen, dem Schnabel, den Füßen besteht zwischen jenem und mir kein Unterschied. Von jetzt an brauche ich nicht mehr die von ihm gefangenen Fische; ich werde sie selbst fangen.“ Und er ging zu Viraka hin und sagte: „Lieber, von jetzt an werde ich selbst in den Teich hinabsteigen und Fische fangen.“ Viraka erwiderte: „Du, Lieber, bist nicht in der Krähenfamilie geboren, die in das Wasser hinabsteigt und Fische fängt.“ Aber obwohl jener von ihm zurückgehalten wurde, hörte er nicht auf seine Worte, sondern stieg in den Teich hinab.
Als er aber in das Wasser gekommen war, konnte er nicht wieder herauftauchen und die Wasserpflanzen [2] durchbrechen; er blieb in den Wasserpflanzen hängen und nur die Spitze seines Schnabels war noch zu sehen. Da er keinen Atem bekam, kam er im Wasser ums Leben.
Da aber seine Gattin ihn nicht zurückkommen sah, ging sie, um den Grund davon zu erfahren, zu Viraka hin und fragte diesen: „Herr, Savitthaka ist nicht da; wo ist er?“ Indem sie so fragte, sprach sie folgende erste Strophe:
Als Viraka dies hörte, sagte er: „Ja, ich weiß, wohin dein Gatte gegangen“; und er sprach folgende zweite Strophe:
Da dies das Krähenweibchen hörte, kehrte sie klagend nach Benares zurück.
Nachdem der Meister diese Lehrunterweisung beendigt, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war Savitthaka Devadatta, Viraka aber war ich.“
Ende der Erzählung von Viraka