„Wie man das oben bis zum Rand gefüllte“
[§A]Dies erzählte der Meister, da er im Reiche Sumbha bei einem Flecken namens Desaka in einem Wäldchen verweilte, mit Beziehung auf das Janapadakalyani-Sutta [1]. Damals sprach nämlich der Erhabene: „Wie wenn, ihr Mönche, mit dem Rufe: ‘Die Schöne vom Lande, die Schöne vom Lande’, sich eine große Menschenmenge versammeln würde, diese Schöne vom Lande aber sich in ausgezeichneter Weise hören ließe, und nachdem sie gesungen, durch den Ruf: ‘Die Schöne vom Lande tanzt und singt’, ihr Mönche, eine noch weit größere Menschenmenge zusammenkäme; nun aber käme ein Mann daher, der Lust am Leben hat, der keine Freude am Tode hat, der sich des Glückes freut und dem Unglück abgeneigt ist, und zu diesem würde man sagen: ‘He, Mann, diese bis zum Rand gefüllte Ölschüssel musst du zwischen der großen Versammlung und der Schönen vom Lande tragen und ein Mann mit gezücktem Schwerte wird dir immer hinten nachfolgen; sobald du aber nur ein wenig davon verschütten wirst, wird er dir den Kopf herunterschlagen’, — was glaubt ihr, ihr Mönche, wird dieser Mann jene Ölschüssel etwa tragen, ohne aufzupassen und indem er äußerlich sich unachtsam zeigt?“ „Nein, Herr.“ „Dies, ihr Mönche, ist von mir zum Gleichnis gemacht worden, damit das Richtige erkannt werde, und folgendes ist der Sinn: Die bis zum Rande gefüllte Ölschüssel, ihr Mönche, ist die Bezeichnung für die Konzentrierung der Gedanken auf den Körper. Darum, ihr Mönche, ist hier folgendes zu merken: Die Konzentrierung der Gedanken auf den Körper muss von uns gut und vollkommen betätigt werden; dies ist von euch zu merken, ihr Mönche.“ Und nach diesen Worten erzählte er das Sutta von der Schönen vom Lande nach Wortlaut und Bedeutung [2].
Darauf beendigte der Meister dieses Sutta mit folgenden Worten: „Ein Mönch, der die Konzentration der Gedanken auf den Körper betätigen will, muss wie der Mann, der die Ölschüssel in der Hand hält, ohne in seiner Aufmerksamkeit nachzulassen, unermüdlich die Konzentration der Gedanken auf den Körper betätigen.“ So belehrte er die Mönche. Als diese aber das Sutta und seine Bedeutung vernommen hatten, sprachen sie: „Etwas schwer Auszuführendes, Herr, hat jener Mann getan, dass er, ohne auf die so schön gestaltete Schöne vom Lande zu blicken, mit der Ölschüssel dahinging.“ Der Meister aber versetzte: „Ihr Mönche, jener hat nicht etwas schwer Auszuführendes getan, sondern etwas leicht Auszuführendes. Warum? Weil er von einem Manne mit gezücktem Schwert geleitet wurde, der ihn bedrohte. Dass aber in früherer Zeit Weise, ohne in ihrer Aufmerksamkeit nachzulassen, unermüdlich ihre Sinnesorgane verschlossen und eine geschaffene göttliche Gestalt nicht anschauend weitergingen und so zur Herrschaft gelangten, das war etwas Schwieriges.“ Und nach diesen Worten erzählte er folgende Begebenheit aus der Vergangenheit.
Als ehedem zu Benares Brahmadatta regierte, wurde der Bodhisattva als der allerjüngste von den hundert Söhnen dieses Königs wiedergeboren und gelangte zur Einsicht. Damals speisten im Hause dieses Königs Paccekabuddhas [3]. Der Bodhisattva erwies ihnen Dienstleistungen. Eines Tages kam ihm folgender Gedanke: „Ich habe viele Brüder; werde ich in dieser Stadt das meiner Familie gehörende Reich erhalten oder nicht?“ Da dachte er: „Ich will die Paccekabuddhas fragen und es so erfahren.“ Als nun am andern Tage die Paccekabuddhas kamen, nahm er den dafür bestimmten Wasserkrug, seihte das Wasser durch, wusch ihnen die Füße, trocknete sie ab und verzehrte unter ihnen das Mahl [4]. Als sie sich dann niedergesetzt hatten, grüßte er sie, setzte sich ihnen zur Seite und fragte nach dem Gewünschten. Darauf sprachen sie zu ihm: „Prinz, du wirst nicht in dieser Stadt auf den Thron kommen. Zweitausend Yojanas von hier entfernt ist aber im Reiche Gandhara die Stadt Takkasilā; wenn du dorthin zu gelangen im Stande bist, wirst du in sieben Tagen die Herrschaft erhalten. Unterwegs aber ist ein Hindernis in einem großen Walde an der Straße. Wenn man um diesen Wald herumgeht, beträgt der Weg hundert Yojanas, wenn man aber geradeaus geht, fünfzig Yojanas. Dies ist nämlich ein Dämonenwald. Dort erschaffen weibliche Dämonen an dem Wege Dörfer und Hallen, lassen ein sehr kostbares Lager herstellen, das einen mit goldenen Sternen verzierten Baldachin über sich hat, errichten Zelte aus Teppichen, die in verschiedenen Farben glänzen, und schmücken sich selbst mit göttlichen Zierden. So setzen sie sich in den Hallen nieder und fangen die des Weges kommenden Männer mit süßen Worten: ‘Man sieht euch an, dass ihr ermüdet seid; kommt hierher, setzt euch nieder und trinkt Wasser; dann könnt ihr wieder gehen.’ Wenn sie jene so herbeigerufen, geben sie den Gekommenen Sitze, verführen sie durch die Anmut ihrer Gestalt und ihre Reize und erfüllen sie mit Lust. Dann, wenn sich jene mit ihnen versündigt, fressen sie sie auf, dass das Blut herunterrinnt, und bringen ihnen so den Tod. — Wer sich an Schönheit erfreut, den fangen sie durch ihre Schönheit; wer gerne Schönes hört, durch süßen Gesang und süße Worte; wer gerne Gutes riecht, durch Wohlgerüche; wer gerne Gutes schmeckt, durch göttliche Speise von ausgezeichnetem Wohlgeschmack; und wer Freude am Gefühl hat, den fangen sie durch göttliche Lager mit auf beiden Seiten roten Kissen. Wenn du deine Sinnesorgane verschließest und sie nicht anschaust, sondern mit gesammelten Gedanken deines Weges gehst, wirst du dann am siebenten Tage einen Thron erhalten.“
Der Bodhisattva versetzte: „Gut, Herr; wenn ich Eure Ermahnung annehme, wie werde ich dann jene anschauen?“ Und er ließ sich von den Paccekabuddhas Schutzmittel [5] fertigen, nahm den Schutzsand und die Schutzschnur und verabschiedete sich von den Paccekabuddhas sowie von seinen Eltern. Darauf begab er sich in seine Behausung und sprach zu seinen Leuten: „Ich gehe, um in Takkasilā die Herrschaft zu erlangen; bleibet ihr da!“ Da sprachen fünf Leute zu ihm: „Auch wir wollen dorthin gehen.“ Er erwiderte: „Ihr könnt nicht dorthin gehen. Unterwegs nämlich sind Dämoninnen, welche die auf schöne Gestalt u. dgl. versessenen Menschen auf diese und jene Art durch schöne Gestalt u. dgl. verlocken und in Besitz nehmen. Dies ist ein großes Hindernis; ich aber vertraue auf mich selbst und gehe hin.“ Die anderen versetzten: „Wie aber, o Fürst, werden wir, wenn wir mit Euch zusammengehen, die uns lieben Gestalten u. dgl. betrachten? Auch wir wollen dorthin gehen.“ Der Bodhisattva sagte: „Seid darum achtsam“, und machte sich mit den fünf Leuten auf den Weg.
Die Dämoninnen aber erschufen Dörfer usw. und setzten sich darin nieder. Der Mann nun von jenen, der Gefallen an schönem Aussehen hatte, wurde, als er die Dämoninnen anschaute, durch das Sinnesobjekt ihrer Gestalt gefesselt und blieb ein wenig zurück. Der Bodhisattva fragte: „He, warum bleibst du ein wenig zurück?“ Jener antwortete: „O Fürst, meine Füße schmerzen mich; ich will mich ein wenig in der Halle niederlassen und dann nachkommen.“ „He, verlange nur nicht nach diesen Dämoninnen.“ „Was sein soll, das soll sein; ich kann nicht, Fürst.“ „Du wirst es ja sehen“, versetzte der Bodhisattva und zog mit den übrigen vier weiter. — Der auf schöne Gestalt Versessene aber ging zu den Frauen hin. Diese brachten ihn, nachdem er sich mit ihnen vergangen, ums Leben; darauf gingen sie weiter, erschufen eine andre Halle, nahmen mannigfache Musikinstrumente und saßen singend da. Darauf blieb der auf schöne Töne Versessene zurück. Auch diesen verzehrten sie, gingen wieder vorwärts, füllten Körbe mit wohlriechenden Substanzen, errichteten einen Laden und setzten sich nieder. Dort blieb der auf feine Düfte Versessene zurück. Nachdem sie auch diesen verzehrt hatten, gingen sie weiter, füllten Körbe mit göttlichen Speisen von höchstem Wohlgeschmack, errichteten eine Garküche und setzten sich nieder. Hier blieb der auf Wohlgeschmack Versessene zurück. Nachdem sie auch diesen verzehrt hatten, gingen sie weiter, richteten göttliche Lager her und setzten sich nieder. Jetzt blieb auch der auf angenehmes Gefühl Versessene zurück und auch diesen verzehrten sie.
Nun war der Bodhisattva allein. Eine Dämonin aber dachte: „Allzu fest in seinem Entschluss ist dieser; ich will aber doch nicht umkehren, bis ich ihn verzehrt habe“; und sie ging immer hinter dem Bodhisattva drein. Als im andern Teil des Waldes Waldarbeiter und andere Leute die Dämonin sahen, fragten sie: „Was ist der Mann, der vor dir geht?“ Sie antwortete: „Es ist mein junger Gatte, ihr Edlen.“ Darauf sagten sie zum Bodhisattva: „He, dies so liebliche, einem Blütenstängel gleichende goldfarbige Mädchen hat seine Familie aufgegeben und ist fortgegangen, auf dich vertrauend; warum gehst du nicht mit ihr, ohne sie zu ermüden?“ Er versetzte: „Ihr Edlen, dies ist nicht meine Gattin, es ist eine Dämonin; fünf Leute von mir hat sie aufgefressen.“ Doch jene sprach: „Ihr Edlen, wenn die Männer zornig sind, machen sie ihre Gattinnen zu Dämoninnen oder zu Gespenstern.“ — Während sie weiterging, gab sie sich das Ansehen einer Schwangeren und dann das Ansehen einer Frau, die einmal geboren hat; und sie nahm ihren Sohn auf den Arm und folgte so dem Bodhisattva. Wer sie nur sah, der fragte sie in der oben angegebenen Art. Der Bodhisattva aber gab immer dieselbe Antwort und gelangte auf seinem Wege nach Takkasilā. Darauf ließ sie ihren Sohn verschwinden und folgte ihm allein nach. Der Bodhisattva ging zu dem Stadttore hin und setzte sich in einer Halle nieder. Infolge der Würde des Bodhisattva konnte sie nicht hineingehen; deshalb erschuf sie sich eine göttliche Gestalt und blieb an dem Tore der Halle stehen.
Zu der Zeit begab sich der König von Takkasilā nach seinem Parke. Durch ihren Anblick wurde sein Herz gefesselt und er schickte einen Mann zu ihr mit dem Auftrage: „Gehe und erforsche, ob sie einen Gatten hat oder nicht.“ Er ging zu ihr hin und fragte: „Hast du einen Gatten?“ Sie erwiderte: „Ja, Edler, mein Gatte sitzt in der Halle.“ Der Bodhisattva aber sprach: „Dies ist nicht meine Gattin, es ist eine Dämonin; fünf Leute von mir hat sie aufgefressen.“ Jene versetzte: „Herr, wenn die Männer zornig sind, reden sie, was sie wollen.“ — Der Mann teilte die Worte der beiden dem Könige mit. Da sprach der König: „Eine Ware, die herrenlos ist, gehört dem König.“ Und er ließ die Dämonin zu sich rufen, ließ sie neben sich auf dem Elefanten Platz nehmen und umfuhr mit ihr die Stadt von rechts; dann stieg er in seinen Palast hinauf und machte sie zu seiner ersten Gemahlin. Er badete und salbte sich, verzehrte sein Abendmahl und bestieg dann sein fürstliches Lager. — Nachdem auch die Dämonin ein ihr zusagendes Mahl eingenommen hatte, legte sie sich herrlich geschmückt mit dem König auf das fürstliche Lager. Als der König, infolge der geschlechtlichen Liebe von Glück erfüllt, sich niederlegte, drehte sie sich auf die Seite und fing an zu weinen. Der König fragte: „Warum weinst du, Liebe?“ Sie antwortete: „Herr, Ihr habt mich auf der Straße gesehen und mitgenommen. In Eurem Hause aber sind viele Frauen; wenn ich nun unter meinen Nebenbuhlerinnen wohne, wird man sagen: ‘Wer kennt deine Mutter oder deinen Vater oder deine Herkunft oder dein Geschlecht? Du bist ja auf der Straße gesehen und hierher gebracht worden.’ Und so werde ich elend sein, wie wenn man meinen Kopf nähme und ihn herunterdrückte. Wenn Ihr mir im ganzen Königreiche die Herrschaft und die Gewalt geben würdet, könnte niemand mich beleidigen und so reden.“ Der König erwiderte: „Liebe, die Bewohner meines ganzen Reiches gehören mir nicht; ich bin nicht ihr Herr. Nur über diejenigen bin ich Herr, die den König beleidigt oder sonst etwas Verbotenes getan haben. Darum kann ich dir nicht im ganzen Reiche Herrschaft und Gewalt geben.“ Darauf sprach die Dämonin: „Wenn du, o König, mir also nicht in deinem Reiche oder in der Stadt die Herrschaft geben kannst, so gib mir im Palast die Herrschaft, dass meine Gewalt sich auf die hier Befindlichen erstreckt, o Herr.“ Da der König, durch die himmlische Berührung gefesselt, ihre Rede nicht zurückzuweisen vermochte, sprach er: „Gut, Liebe, über die im Hause Befindlichen gebe ich dir Gewalt; lasse sie in deiner Macht sein.“ Sie stimmte zu mit dem Worte: „Gut“; als aber der König in Schlaf gesunken war, begab sie sich nach der Dämonenstadt und rief die Dämonen herbei. Sie selbst brachte den König ums Leben, fraß ihn auf mit samt den Sehnen, Haut, Fleisch und Blut und ließ nur die Knochen übrig. Die übrigen Dämonen fraßen vom großen Tor an im Innern des Palastes alles auf, vom Hahn und Hund angefangen, und ließen nur die Knochen übrig.
Als am nächsten Tage die Leute sahen, dass das Tor geschlossen blieb, schlugen sie mit Äxten die Türen ein und gingen hinein. Da sahen sie den ganzen Palast voll von Gebeinen und dachten: „Die Wahrheit hat fürwahr jener Mann gesprochen, da er sagte: ‘Dies ist nicht meine Gattin, sondern eine Dämonin ist sie.’ Der König aber erkannte es nicht, sondern machte sie in seinem Hause zu seiner Gemahlin; darauf wird sie die Dämonen herbeigerufen haben und erst, nachdem sie alle Leute aufgefressen, fortgegangen sein.“
Der Bodhisattva aber hatte an diesem Tage in jener Halle den Schutzsand über sein Haupt gestreut, die Schutzschnur umgelegt und stand da, das Schwert in der Hand, bis die Sonne aufging. Als nun die Leute den ganzen Palast gereinigt, grüne Blätter überall hingelegt und Wohlgerüche darüber gesprengt, Blumen verstreut, Blumenstängel ausgebreitet, Räucherwerk gespendet und wiederum Kränze gewunden hatten, sprachen sie untereinander: „He, der Mann, der die Dämonin, welche sich eine göttliche Gestalt gebildet hatte und hinter ihm herging, nicht einmal anschaute, da er seine Sinnesorgane in Schranken hielt, dieser ist ein gar hohes Wesen, vernunftbegabt, mit Einsicht erfüllt. Wenn ein solcher Mann die Herrschaft führt, wird es dem ganzen Reiche wohl ergehen; ihn wollen wir zum Könige machen.“ Nachdem alle Minister und Stadtbewohner einstimmig diesen Beschluss gefasst, gingen sie zum Bodhisattva hin und sprachen: „O Fürst, führt Ihr die Regierung.“ Und sie legten ihm eine Menge Kleinodien an, weihten ihn und machten ihn zum König von Takkasilā. Er verbot die vier üblen Dinge [6], betätigte die zehn Königstugenden [7] und führte in Gerechtigkeit die Regierung. Und nachdem er gute Werke wie Almosen Geben u. dgl. verrichtet, gelangte er an den Ort seiner Verdienste.
Nachdem der Meister diese Begebenheit aus der Vergangenheit erzählt hatte, sprach er, der völlig Erleuchtete, folgende Strophe:
Nachdem der Meister so das Nirvana zum Gipfel seiner Unterweisung gemacht hatte, verband er das Jātaka mit folgenden Worten: „Damals war die königliche Schar die Buddhaschar, der auf den Thron gelangte Prinz aber war ich.“
Ende der Erzählung von der Ölschüssel