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Inspiration von erleuchteten Nonnen
von
Susan Elbaum Jootla
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
Christine Wendling
Alternative Übersetzung: noch keine vorhanden

Vorwort des Herausgebers zur deutschen Ausgabe

Das vorliegende Büchlein ist eine der seltenen Publikationen zur Lehre des Buddha, die, von einer Frau geschrieben, besonders auf weibliche Belange eingehen. Dabei ist dem männlichen Leser im gleichen Maße Erkenntnisgewinnung möglich, da Themen von universeller Bedeutung und Gültigkeit behandelt werden. In der Tat wurden Teile davon bald nach Erscheinen im Radio Sri Lanka gelesen. Es entstand daher der Wunsch den Inhalt durch Übersetzung ins Deutsche einem weiteren Kreis zugänglich zu machen. Zum besseren Verständnis wurden einige Stellen des englischen Originals abgeändert und am Ende ein Verzeichnis der wichtigsten Lehrbegriffe aufgenommen, um auch dem mit der Buddha-Lehre nicht Vertrauten ein tieferes Verständnis zu ermöglichen. Das englische Original ist in der Reihe "The Wheel" als No. 349/350 mit dem Titel "Inspiration from Enlightened Nuns" erschienen.

Bremen März 1989
Axel Taube

Übersetzung: Christine Wendling

Vom Geiste geh'n die Dinge aus, sind geistgeboren, geistgefügt ...

— Dhammapada

Meinen Eltern
Herbert und Friederike Taube
In tiefer Dankbarkeit

Anmerkung des Bearbeiter: Im Zuge der Einarbeitung wurden, so es auffiehl, fehlende Textstellen und Absätze, entsprechend dem englischen Original, ergänzt, kleine Fehler ausgebessert und verlorengegangene Referenzen ergänzt. Texteile und Absätze mit etwas umfassendern Ergänzungen wurden mit [jb] gekennzeichnet.

Einleitung   

Dieses Heft befasst sich mit Gedichten die von Arahat Bhikkhunis, den erleuchteten Nonnen von damals, verfaßt wurden, und uns noch heute inspirieren können. Die meisten der erwähnten Gedichte stehen im Therigatha, einem kleinen Abschnitt des gewaltigen Pali Kanon. Der Therigatha wurde von der Pali Text Society, London zweimal in englischer Version veröffentlicht: die erste Fassung (Neudruck 1980) von C.A.F. Rhys Davids erschien in Versform und trug den Titel "Psalms of the Early Buddhists: The Sisters"; die zweite Version von K.R. Norman erschien 1971 als Prosa und trug den Titel "The Elders' Verses, II". Die angeführten Zitate stammen zum einen aus "Psalms of the Early Buddhists" und sind mit der jeweiligen Seitennummer versehen, zum anderen aus "The Elders' Verses" und sind mit der jeweiligen Versnummern-Angabe gekennzeichnet. Mrs. Rhys David's Übersetzung wurde stellenweise geringfügig abgeändert. Weiterhin werden Bhikkhunigedichte aus dem Samyutta Nikaya (Verwandte Reden) zitiert.

Zeitgenössische Anhänger des Edlen Achtfachen Pfades können aus den Gedichten der erleuchteten Nonnen aus Buddha's Zeit viel Anleitung und Hilfe erhalten. Die Verse unterstützen jeden bei der Entfaltung der drei Teile des Pfades: sittliches Verhaften, Geistesschulung und Weisheit. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, wirksamer auf die Befreiung des Geistes von seinen Unzulänglichkeiten hinzuarbeiten sowie einen beständigeren Frieden und ein beständigeres Glück zu finden.

In mancher Hinsicht mögen Frauen die Inspiration dieser Gedichte stärker empfinden als Männer, da hier eben die Stimme von Frauen Ausdruck findet. Dies ist zwangsläufig der Fall, wenn in einem der Gedichte z.B. über die Bindung zwischen Mutter und Kind gesprochen wird. Dennoch ist das Geschlecht des Verfassers im tieferen Sinne unerheblich, da durch die buddhistische Lehre allumfassende Prinzipien der Wirklichkeit erläutert werden und diese für Männer wie für Frauen gleichermaßen gültig sind.

Diejenigen, die ernsthaftes Interesse an buddhistischer Meditation haben, werden viele zentrale Gesichtspunkte des Dhamma besser verstehen, wenn sie diese von Nonnen verfassten Gedichte sorgfältig überdenken. Der vom ehrwürdigen Acariya Dhammapala verfaßte alte Kommentar zum Therigatha liefert einen Hintergrund zu den Versen einschließlich biographischer Angaben über die Verfasser. Die "Psalms of the Early Buddhists" von Mrs. Rhys Davids enthalten einige dieser Hintergrundgeschichten; der erste Teil dieser Abhandlung befasst sich mit solchen Geschichten und den darin angesprochenen Themen, die besonders aufschlussreich für zeitgenössische Schüler buddhistischer Meditation aber auch für jeden anderen Suchenden sind. Dann folgt eine Auswahl von Gedichten, in denen eine Reihe spezifischer Lehren Buddha's enthalten sind.

Wir, die wir hier im zwanzigsten Jahrhundert streben, die Befreiung zu erlangen, werden uns sehr dankbar, gegenüber diesen völlig erwachten buddhistischen Nonnen der alten Zeiten und ihrer tiefgründigen Hilfestellung im Erstrahlenlassen des Dhammas für uns, in ihrer unterschiedlichen, persönlichen Weise, wieder finden. [jb]

1. Die Hintergrundgeschichten   

Die damaligen Kommentare liefern uns sowohl Angaben zum Leben der Nonnen, als auch Erklärungen zu den Gedichten selbst. Zwei Hauptthemen, die immer wiederkehren sind für zeitgenössische Dhammaschüler wichtig: (1) die unmeßbar lange Zeit, die wir alle im Samsara verloren waren, dem Kreislauf von Geburt und Tod; und (2) das Funktionieren des unpersönlichen Gesetzes von Ursache und Wirkung, die Karma-Lehre, welche diese Frauen auf Lebenszeit mit Buddha in Verbindung brachte.

Die lange Dauer des Samsara   

Die Lebensgeschichten der Nonnen, wie sie in den ursprünglichen Pali-Kommentaren stehen, begannen viele Wiedergeburten und Äonen vor ihrem letzten Dasein zu Buddha Gotama's Zeit. Wir lesen darin, wie all diese Frauen die Auswirkungen ihres alten Karma über viele Zeitalter hinweg durchlebten, und wie sie neues, kraftvolles, auf Weisheit beruhendes Karma erzeugten, um schließlich als Arahats vollkommene Erwachung zu erlangen. Jede von ihnen - oder richtiger, jede fortdauernde Reihe - mußte erst zahllose Zeitalter des Leidens, in seinen groben und feinen Nuancen erdulden, um schließlich vollkommene Weisheit erlangen zu können. Doch schließlich befreiten sie sich von allem, was ihnen anhaftete, und waren für immer davon erlöst wiedergeboren zu werden und Leid erfahren zu müssen.

Anhänger der Vipassana Meditation, die versuchen dasselbe Verständnis für die endgültige Natur der bedingten Entstehung zu entwickeln, können hierbei inspiriert werden, wenn sie versuchen die anhand dieser Geschichten überlieferten Erfahrungen auf ihr eigenes Leben zu übertragen. Sobald wir uns darüber bewußt werden, wie lange wir selbst in Unwissenheit umhergewandert sind und dabei immer mehr und mehr unheilsames Karma erzeugt haben, wird es uns gelingen, geduldig zu bleiben, auch wenn unsere ersten Bemühungen in der Geistesschulung stocken oder fehlschlagen. Selbst solche Bhikkhunis, die genügend paramis besaßen - welches sie im Laufe früherer Leben durch Tugendhaftigkeit entfaltet haben - um sogar Arahats zu werden, mußten noch viele Jahre mit mühsamer und manchmal scheinbar fruchtloser Anstrengung zubringen, ehe sie ans Ziel kamen.

Siha, zum Beispiel, betrat den Sangha als junge Frau, doch sieben Jahre lang konnte sie nicht lernen, ihren Geist zu zügeln um nicht von Äußerlichkeiten angezogen zu werden. Eine andere Nonne bemühte sich fünfundzwanzig Jahre lang, konnte aber wegen ihrer starken Neigung zu sinnlichem Verlangen keinen wirklichen Frieden finden. Doch als alle entsprechenden Bedingungen schließlich erfüllt waren, wurden die Geduld sowie die wiederholten Bemühungen dieser beiden Bhikkhunis belohnt. Ebenso wird es auch uns ergehen, wenn wir den Edlen Achtfachen Pfad ernsthaft und willensstark beschreiten, bis wir Ariyas, also Edle werden. Und haben wir das einmal erreicht, dann sind wir sicher, daß die Ursachen für Leid endgültig erloschen sind.

Indem wir uns bemühen im Einklang mit dem Dhamma zu leben und die wahre Natur des Daseins zu verstehen, beginnen wir starke, heilsame, geistige Willenskräfte zu entwickeln und erzeugen somit Karma, daß sowohl in zukünftigen wie auch in dieser Geburt seine Wirkungen haben wird. Diese wiederholten Mühen fallen uns immer leichter und werden selbstverständlicher, denn durch die Einsicht in das Wesen der Dinge beseitigen wir Unwissenheit und andere Hemmungen und unsere Sinne werden durch die erlangte Weisheit (pañña) gefestigt. Die Erinnerung an die unendliche Zeitspanne und die ungeheuer große Ansammlung heilsamer, willensstarker Leben, die hinter uns liegen, wird uns helfen weiterhin gleichmäßig und energisch nach Läuterung zu streben.

Durch Veranschaulichung des fortwährenden Leidens, das jedes empfindungsfähige Wesen im Kreislauf des Samsara erduldet hat, ermutigen uns diese Wiedergeburtsgeschichten dazu, hart im Dhamma zu arbeiten, d.h. nach Überwindung zu streben, indem wir die Ursachen durchdringen und entwurzeln von denen der Buddha sagt, sie gründeten auf Begehren und Nichtwissen.

Die Bhikkhuni Sumedha wiederholt in ihrem Gedicht eine der immer gültigen Lehren des Buddha: die Quelle des unaufhörlichen Leidensstromes aus früheren Leben zu beenden; Sumedha bat ihre Eltern und ihren Verlobten um Erlaubnis dem Sangha beitreten zu dürfen und sie nicht zur Heirat zu zwingen:

Der Kreislauf der Wiedergeburten dauert lang für Narren und für solche, die immer wieder beweinen was doch ohne Anfang und Ende ist, den Tod eines Vaters, eines Bruders und ihr eigenes Ende.

Gedenke der Tränen, der Milch, des Blutes,
der Weiterreise so wie sie sind, ohne Anfang und Ende;
gedenke der Knochenhaufen derer, die auf der Weiterreise sind.
Gedenke der vier Weltmeere, verglichen mit den Tränen, der Milch und dem Blut;
gedenke des Knochenhaufens (eines einzigen Mannes) eines Zeitalters,
verglichen (mit der Größe) des Vepula Gebirges.

(Vers 495-497)

Die "Weiterreise" ist Samsara. n den Zeilen, die mit "Gedenke der vier Weltmeere, verglichen" beginnen, erinnert Sumedha ihre Familie an eine Rede des Buddha, die sie einmal gehört haben muß. Jeder von uns, so lehrt Buddha, hat riesige Meere an Tränen vergossen über den Verlust geliebter Menschen und aus Furcht vor dem eigenen Schicksal während der fortdauernden Daseinsgruppen im beschwerlichen Kreislauf des Samsara. Der Vers verkündet uns, daß wir in all den Lebenszeiten viele Meere Muttermilch getrunken haben und, daß unmeßbare Mengen Blut flossen, wenn gewaltsamer Tod unser Leben beendete. Wie kann da noch ein einziger blutiger Tod schreckliches Leiden verursachen? All das erkannte Buddha in seiner unendlichen Weisheit und beschrieb es auch so seinen Anhängern.

Man kann in den Lebensgeschichten dieser Nonnen sehr gut die mächtige Weite des Samsara erkennen, die wir überdauern ehe wir in diesem Leben den Dhamma antreffen. Auch weiterhin müssen wir geduldig danach streben uns vom Unwissen zu befreien, um uns über das allgegenwärtige Leiden im Samsara bewußt zu werden, wie es die Erste Edle Wahrheit besagt.

Ursache und Wirkung von Karma   

Das zweite Thema, das in den Kommentaren angesprochen wird ist die Karma-Lehre, d.h. die Art und Weise wie das Gesetz von Ursache und Wirkung funktioniert. Kenntnis hierüber kann hilf reich sein für die Entwicklung unseres eigenen Verständnisses von der wahren Natur der Wirklichkeit. Die Nonnen erlangten die Befreiung weder, weil sie eines Tages beschlossen, "Nun werde ich alles Verlangen auslöschen", noch wurden sie durch die Gnade eines Guru, die Macht Gottes oder durch Buddha selbst erleuchtet. Vielmehr durchschritten sie einen sehr langen Entwicklungsprozess, der es ihnen allmählich erlaubte die Voraussetzungen für ihre Erlösung zu schaffen und der schließlich in der Arahatschaft gipfelte. Wie alle Handlungen, so unterliegt auch die Befreiung des Geistes vom Unwissen dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Naturgesetze dieser Art können mit geistiger Willenskraft erkannt und genutzt werden, und bewirken so eine Klärung des Geistes. Konzentrierte Vispassana Meditation führt zu wiederholter Betrachtung der Phänomene des Lebens und dabei verschwinden allmählich die Trübungen, die den Geist umnebeln und so die Wiedergeburten mit all ihren Folgen verursachen.

Sela, zum Beispiel, die bereits als junge Frau ordinierte, wurde wegen ihres starken Willens und ihrer Weisheit um die Durchdringung der Sankharas (bedingte Erscheinung) rasch eine Arahat. Sela hatte in vielen Leben gute Taten vollbracht wie z.B. früheren Buddhas Gaben darzubringen oder für die Mönche zu sorgen. Aufgrund dieser heilsamen Handlungen wurde sie als himmlisches Wesen oder unter angenehmen irdischen Umständen wiedergeboren. Die Bhikkhunis, einschließlich Sela, stießen jede auf ihre Art zum Sangha. Als die Zeit gekommen war, und ihr paramis Früchte trug, konnten sich alle Umstände, die ihrer Erleuchtung förderlich waren entwickeln; unheilsame Gedanken wurden restlos getilgt und sie erreichten das Ziel.

Sukkha starb zur Zeit eines der früheren Buddhas, ohne eine Ariya geworden zu sein. Unter späteren Buddhas "hielt sie sich an die Ordensregeln, wußte viel und war in der Lehre bewandert." Schließlich fand sie in diesem Buddhazeitalter das Vertrauen zum Meister, praktizierte seine Lehre zu Hause, und wurde so eine seiner stillen Schülerinnen. Als sie später eine Predigt von Bhikkhuni Dhammadinna hörte, war sie so ergriffen, daß sie ihr bisheriges Leben aufgab (pp. 40-41).[1] All die Bemühungen vergangener Leben machten sich jetzt bezahlt. Sukkha wurde eine Arahat und hielt bedeutende Predigten über den Dhamma. Nur wenige der Nonnen erlangten Berühmtheit durch die Befähigung andere zu lehren. Um den Dhamma zu lehren, mußte Sikkha ein besonderes paramis entfalten und sie mußte sich wahrscheinlich deshalb solange Zeit von früheren Buddhas unterweisen lassen, ohne daß ihre Mühen damals Früchte trugen.

Ähnliche Geschichten erzählen von wieder anderen Bhikkhunis, die Gutes taten, sich während früherer Leben sehr bemühten und dabei verschiedene Arten von paramis erzeugten, mit deren Hilfe es ihnen zur Zeit dieses Buddhas schließlich gelang alle irdischen Bindungen aufzugeben. Haften wir uns den sich langsam vollziehenden Reifungsprozess, bis hin zur Erlösung, vor Augen, so zeigt sich, daß geistige Willenskraft, gute Taten und Worte immer irgendwann Früchte tragen.

Ob wir die seltene und großartige Gelegenheit bekommen, in diesem Leben mit den Lehren eines Buddha in Berührung zu kommen, hängt nur von unserem paramis , dem guten Karma aus der Vergangenheit ab. Mit Hilfe der bereits erlangten Weisheit haben wir jetzt die Möglichkeit, durch einsichtige Meditation zu noch umfassenderer Weisheit (paññaparami) zu gelangen. Mit Weisheit verstehen wir die Wirklichkeit so wie sie ist. Sie besitzt auch die Macht, Wirkungen von vergangenem Karma aufzuheben. Außerdem wird mit erneutem Aufbau heilsamer Willenskräfte neues, gutes Wirken erzeugt, aus dem wiederum angenehmes Erleben und eine Annäherung an das Hohe Ziel entspringen.

Weisheit jedoch kann sich nicht ohne Sittlichkeit entfalten. Der Buddha lehrt uns, daß man auf dem Weg zur Befreiung mindestens fünf Regeln immer strikt einhalten muß: nicht zu töten, nicht zu stehlen, sexuell nicht auszuschweifen, nicht zu lügen und sich nicht zu berauschen. Wer diese Regeln überschreitet erzeugt schlechtes Karma und legt die Grundlagen für schmerzvolles Erleben. Ohne Reinheit im Handeln und Reden kann sich auch nicht die Reinheit des Geistes entwickeln, denn der unreine Geist ist zu stark mit sinnlichem Verlangen, schmerzlichen Gefühlen und Unlust behaftet, um sich einer konzentrierten Meditation zu widmen.

Einige der Wiedergeburtsgeschichten von damals berichten von Arahat Bhikkhunis, die diese Gebote nicht einhielten. Verschiedene dieser Bhikkhunis erlitten die Folgen ihrer unheilsamen Taten in der Wiedergeburt als Tier oder sie mußten ein erbärmliches Menschliches Dasein führen. Das Leben von Addhakasi, zum Beispiel bot einen solchen verwickelten Hintergrund. Sie war eine der Sittlichkeit ergebene Bhikkhuni unter Kassapa Buddha, dem direkten Vorgänger Gotamas. Doch einmal bezeichnete sie eine ältere, vollkommen erwachte Nonne aus Zorn als Prostituierte. Diese unrechte Rede hatte zur Folge, daß sie in einem der niederen Bereiche wiedergeboren wurde, denn unrechte Tat oder Rede gegenüber einer Ariya erzeugt mehr schlechtes Karma, als gegenüber einem Weltling. Als die Früchte dieser unrechten Tat schließlich fast aufgebraucht waren, wirkte sich der Rest so aus, daß sie im letzten Leben selbst eine Prostituierte wurde. Ihr gutes Karma von früher war parallel jedoch sehr stark geworden und Addhakasi ordinierte als Nonne. Indem sie das geläuterte Leben einer Bhikkhuni führte, erreichte Addhakasi Nibbāna.

Ursachen und Wirkungen erschöpfen sich gegenseitig und führen uns auf diese Weise im Verlauf unserer Leben immer wieder durch den samsara. So lange wie der Geist an irgend etwas anhaftet, werden wir uns in willentlichen Handlungen betätigen, neues Kamma machen und werden deren Resultate erfahren. Gutes Kamma zu kultivieren, wird einem von großem Leiden bewahren und den Geist für das mächtigeste von allen Kamma, das aus Weisheit geboren ist, welches zur Auslöschung aller karmischen Erzeugnisse führt, vorbereiten. [jb]

2. Die Lehre der Gedichte   

Die Verse der Nonnen bieten eine Vielfalt an Themen. Beinah alle Verse entstanden, als die Verfasserin erkannt hatte, daß erst die Erlangung vollkommener Einsicht und Läuterung den Leiden der Wiedergeburt ein Ende setzen. So enthalten eigentlich alle Gedichte eine Art "Löwenruf", ein Ausdruck dafür, daß die Sprechende erwacht ist.

Erleuchtung durch alltägliche Ereignisse   

In einigen Versen werden Ereignisse beschrieben, durch welche die Frauen zum Sangha fanden oder die die plötzliche Erwachung herbeiführten. Zuweilen ist es eine höchst weltliche Begebenheit, die den reifen Geist veranlaßt, die endgültige Wahrheit zu erkennen. Die Bhikkhuni Dhamma kehrte eines Tages, erschöpft von Hitze und Anstrengung, von ihrem Almosengang zurück. Sie stolperte und als sie ausgestreckt auf der Erde lag, erkannte sie klar das auf Grund des Körpers bestehende Leid und bewirkte so völliges Erlöschen des Begehrens. Dieses Erlebnis beschreibt sie so:

Nach einem Almosengang, schwach, mit zitternden Gliedern,
auf einen Stock gestützt fiel ich zu Boden
und sah die Notdürftigkeit dieses Körpers.
Dann war mein Geist vollkommen erlöst.

(Vers 17)

Wenn man durch ein solches Ereignis Erwachung erlangen kann, dann haben wir alle wahrscheinlich unbewußt unendlich viele ähnliche Erfahrungen gemacht. Achtsamkeit (yoniso manasikara) kann uns die Vergänglichkeit (anicca), die Unzulänglichkeit (dukkha) und die Wesenlosigkeit (anatta) der Dinge zeigen und uns darin bestärken, unser Verlangen zu vermindern. Wenn wir uns der Vispassana Meditation gewissenhaft, unter Leitung eines erfahrenen Lehrers widmen, ist es möglich, die täglichen Ereignisse mit diesen grundlegenden Merkmalen zum Zwecke der Läuterung zu nutzen. Das ist so, weil der ursprüngliche Zustand des Geistes auf Unwissenheit beruht - eben jener Unfähigkeit die Dinge so zu sehen wie sie wirklich sind. Nur konzentrierte Achtsamkeit bei der In-Schau macht es uns möglich, die alltäglichen Erfahrungen richtig zu begreifen, denn die methodische und kultivierte Vispassana Meditation löst die Sinne von ihren alten Neigungen, indem sie uns die geistige und körperliche Vergänglichkeit unmittelbar empfinden läßt.

Eintritt in den Sangha nach dem Tod eines Kindes   

Etliche Frauen betraten den Sangha nach dem Tod ihrer kleinen Kinder. Wenn der Kummer uns antreibt, den "Pfad zur Beendigung des Leidens" zu entfalten, kann er uns nützen. Ubbiri war sehr in Trauer um ihre kleine Tochter bis zu dem Zeitpunkt, als Buddha ihr offenbarte, daß sie an eben der Begräbnisstätte, an der sie den Körper dieses Kindes zurückließ, schon von tausenden Kindern, die sie in früheren Leben geboren hatte, auf ähnliche Weise Abschied genommen hat. Da sie in der Vergangenheit bereits gut gewirkt hatte, genügte dieses kurze persönliche Gespräch um die klagende Mutter an Ort und Stelle in eine Arahat zu verwandeln. Als sie die ungeheure Weite des Samsara deutlich wahrnahm, war sie bereit, ihn hinter sich zu lassen. Sie beschrieb ihre tiefe Dankbarkeit gegenüber dem Buddha in diesen einfachen Zeilen:

Er hat die Trauer um meine Tochter geheilt ...
Jetzt bin ich ohne Lebens-Durst, gestillt.

(Vers 51, 53)

Nach dem Erlöschen von Unwissen und Verlangen bleibt nur ein reiner Geist zurück, von Natur aus friedlich. Ubbiri besaß einen geschmeidigen und gut vorbereiteten Geist und verstand, durch Buddha's Belehrung, daß die Quelle ihres ganzen Leids ihr Verlangen war. Nachdem sie unzählige Millionen Lebenszeiten im Samsara zugebracht hatte, erkannte Ubbiri, daß ihr die tiefe mütterliche Bindung zu ihren Kindern immer große Qual verursacht hat; denn Söhne und Töchter sind, wie alles andere auch, dem Gesetz der Vergänglichkeit unterworfen. Wir können die Lebenszeit derer, die wir lieben nicht beeinflussen, da sie von ihrem eigenen Karma bestimmt wird. Da erlangte sie so große Einsicht, daß, in Anbetracht des alles durchdringenden Leids, nichts mehr ihr Interesse wecken konnte. So war ihre Neigung zu Bindungen für immer gebrochen.

Die Geschichte von Patacara vor ihrem Leben im Dhamma, in den Anmerkungen zum Therigatha sehr detailliert beschrieben, ist noch dramatischer. Sie verlor ihre ganze Familie, ihren Ehemann, zwei kleine Kinder, Eltern und Brüder innerhalb weniger Tage bei verschiedenen Unfällen. Vor Kummer wurde sie wahnsinnig, doch Buddha's Mitleid, vereint mit ihrem paramis aus vergangener Zeit, gaben ihr die Kraft ihren Geist zurückzugewinnen. In seiner Gegenwart erfuhr sie, wie oft sie sich schon heillos erschöpft hatte, in Trauer um die Toten. Sie wurde eine "Strom-Eingetretene" (sotapanna), jemand der sich auf der ersten Stufe des unwiderruflich fortschreitenden Pfades zur Befreiung befindet und erhielt die Ordination. Als sie eines späteren Tages, damit beschäftigt war, Wasser für das Fußbad einzugießen, und das fort rinnende Wasser betrachtete und bei sich dachte, daß so früher oder später das Leben aller Wesen einfach fort rinnt - da wurde ihr Geist vollkommen von allen Bindungen gelöst. Patacara hatte, wie die Bhikkhuni Dhamma, die Keime des Verstehens zur vollen Reife gebracht und im rechten Moment wurde ihr Geist durch ein unbedeutendes weltliches Ereignis von jeglicher Spur von Unwissen befreit.

Viele andere Frauen fanden unter ähnlichen Umständen, wie Ubbiri oder Patacara, zum Sangha. Zu Zeiten in denen begrenzte medizinische Kenntnisse nicht vermochten, die hohe Kindersterblichkeit einzudämmen, war eine den Tod ihres Kindes beweinende Mutter in Indien eine alltägliche Erscheinung. Theri Patacara sprach zu solch einer Gruppe leid geplagter Mütter und brachte zum Ausdruck, was sie aus derselben Erfahrung gelernt hatte:

Weder können wir den Weg kennen auf dem ein Mensch kommt,
noch können wir den Pfad sehen auf dem ergeht.
Warum also den betrauern, der zu Euch kam,
Mit Tränen beklagen? ...
Weint nicht, denn so ist das Menschenleben.
Ungefragt kam er und ungebeten ging er.
Fragt Ihr Euch immer noch, warum Euer Kind kam
Um diese kurze Zeit auf Erden zu leben?
Auf dem einen Weg gekommen und auf einem anderen gegangen,
Um als Mensch zu sterben, um zu anderen Geburten zu eilen
hierher und von hier fort - warum solltet Ihr da weinen?

(S. 78)

In dieser Weise zeigt Patacara für diese Mütter die naturliche Verbindung, das Unersichtliche, die unpersönlichen ursächliche Verflechtung zwischen Tod und Leben, Leben und Tod. Auch sie nahmen die Robe an und wurden letzten Endes Arahants. Deren gemeinsamer "Löwenruf" gipfelt in diesen Zeilen: [jb]

Heute ist mein Herz geheilt, meine Verlangen liegengeblieben,
Perfekte Befreiung in mir ausgearbeitet.
Ich nehme Zuflucht in den Buddha, die Sangha und das Dhamma.

(S. 77) [jb]

Aufgrund ihrer Physiologie sowie ihrer familiären und gesellschaftlichen Stellungen neigen Frauen dazu, stärkere Bindungen zu ihren Nachkommen aufzubauen als Männer und leiden deshalb um so mehr an ihrem Verlust. Wenn Frauen ihren Geist jedoch darin üben, zu verstehen, daß es heftiges Leiden verursacht sich an etwas zu klammern, daß Geburt und Tod natürliche Vorgänge und Wirkungen bestimmter Ursachen sind und, daß der Werdegang dieses Jammers endlos ist, dann können sie sich ihr weibliches Leiden bei ihrem Streben nach Erleuchtung zunutze machen. In den "Kindred Sayings" (Bd. IV, S. 62-163), verweist der Buddha auf fünf Leidensarten, die für Frauen typisch sind. Drei davon sind körperlich Menstruation, Schwangerschaft und Niederkunft. Die beiden anderen sind gesellschaftlichen Ursprungs und vielleicht heutzutage nicht mehr so verbreitet wie im einstigen Indien: die eigene Familie verlassen zu müssen um mit dem Ehemann und den angeheirateten Verwandten zusammenzuleben und "einem Mann dienen zu müssen". Alle gemeinsam müssen Ergebnisse früherer, unheilsamer Taten sein, doch jedes für sich kann wiederum als Grundlage zur Einsicht dienen. Frauen können ihren Geist trainieren, diese scheinbaren Nachteile in Vorteile umzuwandeln. Dann können sie vollen Nutzen aus ihren drastischen Erfahrungen mit der Vielfalt und Allgegenwart des Leidens ziehen, und sich allmählich daran gewöhnen in unserer Weh der Bedingtheit alles loszulassen.

Einige Menschen müssen erst tiefes Leid erleben, ehe ihr Geist von falschen Ansichten und Begierden befreit wird. Patacara ist ein Beispiel hierfür; Kisa Gotami ein zweites. Letztere wehrte sich so sehr dagegen, den Tod ihres Kindes zu akzeptieren, daß sie das tote Kind im Arm umher trug in der Hoffnung jemanden zu finden, der ihr Medizin zu seiner Heilung geben könne. Der Buddha führte sie zur Erkenntnis der Allgegenwärtigkeit des Todes, indem er sie mit der Suche nach ein paar Senfkörnern beauftragte. Senfkörner sind eine gebräuchliche Zutat der indischen Küche, doch der Buddha verlangte, daß diese Senfkörner aus einem Haushalt stammen sollten, in dem sich noch nie ein Todesfall ereignet hatte.

Kisa Gotami machte sich auf die Suche nach der "Medizin" für ihr Kind, doch wegen der Sitte, daß drei oder mehr Generationen gemeinsam unter einem Dach lebten, war man in jedem Haus, zu dem sie kam schon dem Tod begegnet. Auf ihrer Wanderung durch das Dorf begriff sie allmählich, daß jeder der geboren wird sterben muß. Ihr beträchtliches paramis befähigte sie, die Unbeständigkeit so vollkommen zu durchdringen, daß Buddha ihr bald darauf den Strom-Eintritt bestätigte. Da verkündete sie diese Zeilen:

Dies ist kein Gesetz für Dörfer oder Städte,
Kein Gesetz für diese oder jene Sippe nur;
Für die ganze Welt - auch für die Götter
gilt dies Gesetz: Alles ist Vergänglich.

(S. 108)

Auf diese Weise überwand Kisa Gotami die von weiblicher Trauer gesetzten Hemmnisse und erkannte eines der grundlegenden Merkmale allen Daseins.

Kisa Gotami wurde später eine Arahat. Die Verse, die sie bei dieser Gelegenheit vortrug, erteilen allen Nachfolgern auf dem Edlen achtfachen Pfad wertvolle Inspiration:

In Gesellschaft edler Freunde würde selbst ein Narr klug.
Tugendhafte Menschen soll man oft aufsuchen;
so wächst die Weisheit derer, die bei ihnen Zuflucht nehmen.
Umgibt man sich mit guten Menschen, wird man von allem Leid erlöst.
Man soll das Leid, seine Ursache, sein Ende
und den Edlen Achtfachen Pfad kennen;
(dies sind) die Vier Edlen Wahrheiten.

(Vers 213-215)

Im Umgang mit weisen Menschen, besonders aber in der Unterweisung eines Lehrers, erhalten wir eine unbezahlbare Unterstützung darin, auf dem Pfad festen Fuß zu fassen. Die Gesellschaft von Menschen hingegen, die nicht mit dem Dhamma verbunden sind, wird uns eher ablenken. In der Regel leiten uns diejenigen, die nicht bemüht sind die Lehre Buddha's auszuüben, in die weltliche Richtung ihrer eigenen Gesinnung. Daher wäre es das Beste, wir suchten unsere Freunde, wenn möglich, unter Meditierenden.

Die Vier Edlen Wahrheiten   

Meditation verlangt ständiges Geistestraining um uns zur Erkenntnis der Vier Edlen Wahrheiten, mit all ihren Feinheiten, zu führen; das hat auch Kisa Gotami in den letzten Zeilen des oben zitierten Gedichtes eindringlich beschrieben. Dies wiederum bedeutet Gewinnung von Weisheit, pañña, der Arznei gegen Unwissen und Selbsttäuschung, den Wurzeln allen Leidens; das besagt auch der Wortlaut der Bedingten Entstehung. Man muß sich immer wieder in diese Vier Wahrheiten vertiefen, um Weisheit zu entfalten: (1) die Edle Wahrheit vom Leiden (dukkha), sie umfaßt alle Leidensformen, von heftigem Schmerz bis zur feinen Unzulänglichkeit und der dem Dasein des Einzelnen in allen Werdensstufen innewohnenden Unbeständigkeit; (2) die Edle Wahrheit von der Ursache des Leidens - der Begierde (tanha), die den Geist oberflächlich macht und ihn, auf der Jagd nach sinnlichen Dingen, in einen Zustand andauernder Unruhe versetzt; (3) die Edle Wahrheit von der Aufhebung des Leidens - Nibbana, man erreicht sie, wenn alle Ursachen des Leidens, der Unwissenheit und des Verlangens vollständig beseitigt sind; und (4) die Edle Wahrheit vom Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt - der Achtfache Pfad, der vom Buddha erkannt und gelehrt wurde und folgendes beinhaltet: achtsame Ausübung sittlichen Verhaltens (sila), Sammlung (samadhi) und Weisheit (panna).

Die Vier Edlen Wahrheiten finden prägnanten Ausdruck in einem Vers von Maha Pajapati, Buddha's Tante mütterlicherseits, die ihn großzog, als seine Mutter, Königin Mahamaya, eine Woche nach seiner Geburt starb. Es geschah auf Maha Pajapati's Drängen, daß Buddha den Orden der Nonnen gründete. In ihrem Gedicht dankt sie als erstes Buddha für die große Hilfe, die er so vielen Menschen erteilte, indem er sie lehrte, Befreiung zu erlangen; dann folgt eine kurze Zusammenfassung der Vier Edlen Wahrheiten, die sie selbst so durch und durch als endgültige Wahrheit erfahren hat. Für den heutigen Meditationsschüler ist es förderlich, diese Zeilen gründlich zu erwägen:

Nun habe ich verstanden wie Leid entsteht,
Das Begehren, die Ursache dafür, ist in mir versiegt.
Ich bin ihn gegangen und habe das Ende des Leidens erreicht –
den Ariyan, den Edlen Achtfachen Pfad.

(S. 89)

Anhänger der buddhistischen Meditation sollten sich üben, diese Wahrheiten so gründlich wie möglich kennenzulernen, damit sie sie in jedem Aspekt des Daseins erkennen. Wir folgen der weltlichen Stufe des Edlen Achtfachen Pfades, um den überweltlichen (lokuttara) Pfad, den Stromeintritt zu erreichen. Dann sind die drei Teile des Pfades - Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit - im höchsten Grad entwickelt und das Ende des Leidens, Nibbana, wurde verwirklicht.

Erreichung des Ziels nach einem langen Kampf   

Wenn wir die Geschichten dieser bedeutenden Bhikkhunis lesen sehen wir, daß viele von ihnen die höchsten Früchte entweder unverzüglich, oder bald nachdem sie mit Buddha oder seiner Lehre in Berührung kamen, erlangten. Dies könnte geschehen sein, weil sie in vielen vorhergehenden Leben durch heilsames Wirken in Taten, Worten und Gedanken paramis erzeugt haben, während sie gleichzeitig die Wirkungen früheren Karmas austrugen.

Doch nicht alle Menschen, deren paramis ihnen erlaubte Buddha tatsächlich predigen zu hören, waren imstande in ihrem letzten Leben so rasch Arahats zu werden. Wenn wir uns selbst mit einem widerspenstigen Geist konfrontiert sehen, können wir Mut fassen aus den Erzählungen der Nonnen, die viele Jahre intensiver, beharrlicher Anstrengung bedurften ehe sie alle Unzulänglichkeiten beseitigt hatten.

Die junge Citta ordinierte in ihrer Heimatstadt Rajagaha und verbrachte ihr ganzes Leben als eine, nach Erleuchtung strebende Nonne. Als alte schwache Frau erreichte sie schließlich ihr Ziel. Als sie mühsam eine Anhöhe erklommen hatte, sagte sie:

Als ich meinen Umhang abgelegt
und meine Schale umgedreht hatte,
lehnte ich mich gegen einen Felsen,
und die Masse der Dunkelheit
(des Unwissens) teilte sich.

(Vers 27)

Wenn wir den Edlen Achtfachen Pfad gewissenhaft, genau und tatkräftig befolgen und so vermehrt Einsicht in das wahre Wesen des Daseins erlangen, wird die Selbsttäuschung durch Weisheit geklärt und schließlich die wahre Beschaffenheit des Seins vollkommen klarwerden. Es mag viele arbeitsame Jahre oder Lebenszeiten dauern, doch dann ist Geduld eine der Eigenschaften, die wir entfalten müssen, von dem Zeitpunkt an, da wir den Pfad das erste Mal betreten haben.

Mittakali war eine weitere Bhikkhuni, die erst nach Jahren Erleuchtung erlangte. Sie legte die Robe an, nachdem sie das Satipatthāna Sutta gehört hatte. In ihrem "Löwenruf" beschreibt sie ihre Fehler, durch die sie Nibbāna erst nach sieben Jahren erreichte. Ihr Vers kann für Meditierende lehrreich sein, sowohl für Angehörige als auch für Nichtangehörige des Sangha:

Als ich voll Vertrauen das Hausleben verließ, wanderte ich hin und her,
nach Gewinn und Ehre strebend.
Das höchste Ziel verfehlend,
verfolgte ich das niedrigste Ziel.
Vom Begehren beherrscht,
kannte ich nicht den Lohn des Asketentums.

(Verse 92-93)

Buddha betonte oft, daß es für Mönche und Nonnen gefährlich sei, nach Gewinn oder der Gunst des Laienstandes zu streben, da derartige Taten all ihre Bemühungen um einen reinen Geist zunichte machten. Der Laie bereitet Bhikkhus und Bhikkhunis Geschenke, um sich Verdienste zu erwerben. Ist der Geist des Empfängers rein, frei von Gier und anderen üblen Zuständen, so ist der Verdienst des Laienanhängers weit größer, als wenn der Geist des Empfängers von Begehren erfüllt ist. Einer der Beinamen der Arahats, deren Reinheit beständig makellos ist, lautet "selbst größter Gaben würdig.

Im Gleichnis von der giftigen Schlange aus den "Lehrreden der Mittleren Sammlung" (Band I, S. 171-72), weist der Buddha darauf hin, daß seine Lehre nur das eine Ziel verfolgt: Freiheit vom Leid. Eine falsche Haftung, durch die der Dhamma mißbraucht wird, führt zu noch größerem Leiden, so als ob man versucht eine Schlange am Körper oder Schwanz zu packen und so gebissen wird. Die selbe giftige Schlange wird ihr Gift, ohne Gefahr, für medizinische Zwecke überlassen, wenn man sie mit Hilfe eines gegabelten Stocks direkt hinter ihrem Kopf am Nacken greift. Der Buddha verkündet, daß dementsprechend nur diejenigen, welche die Absicht seiner Lehre weise prüfen auch fähig sein werden, Einsicht zu gewinnen und deren Zweck wirklich erfahren werden - die Aufhebung der Ursachen jeglichen Leides.

Als Mittakali ihr fortgeschrittenes Alter spürte und der Tod rasch näher kam, erkannte sie, nach den verschwendeten Jahren, der Jagd nach Gewinn und Ehre, schließlich doch die Notwendigkeit geistiger Übung. Da wir nie sicher sein können wie lange wir leben werden, ist es ein Wagnis, die Meditation aufzugeben. Jetzt wo wir mit dem Dhamma in Berührung kommen, sind die Umstände wie geschaffen, um der Lehre des Buddha zu folgen. Förderliche Umstände wie Jugend und menschliche Geburt haben eine Ende entweder allmählich oder plötzlich - und wir haben nie Gewissheit, daß die Umstände zur Ausübung des Dhamma ideal bleiben. Mittakali brauchte Jahre um das im fortgeschrittenen Alter zu verstehen. Der Weg zur Läuterung wurde durch ihren starren Geist und ihre körperlichen Gebrechen noch erschwert. Doch plötzlich begriff sie und war imstande zum Ziel zu gelangen. Das Studium ihrer Verse mag uns helfen, wertvolle Zeit nicht zu vergeuden:

Ich spürte ein drängendes Gefühl, als
ich in meiner kleinen Zelle saß; (und dachte)
„Ich bin auf den falschen Weg geraten;
ich werde vom Begehren beherrscht.
Mein Leben ist kurz. Alter und Krankheit zerstören es.
Ich habe keine Zeit mehr schlaff zu sein,
da schon bald ja dieser Körper zerbricht."
Als ich das Werden und Vergehen der Dinge sah, so wie sie wirklich sind,
stand ich auf und mein Geist war haftlos erlöst.
Des Buddha's Lehre war vollendet.

(Vers 94-95)

Indem sie das rastlose Entstehen und Vergehen der 5 Khanda (Körper, Gefühle, Wahrnehmung, Geistformationen und Bewußtsein) beobachtete, wurde Mittakali's Geist von der falschen Vorstellung eines dauerhaften "ich" oder Selbst befreit. Nach diesen langen sieben Jahren des Verstricktseins im Verlangen, durchschaute sie ihr dummes und gefährliches Interesse an weltlichen Dingen. Sodann war es ihr möglich, die Elemente oder Daseinsgruppen so zu sehen, wie sie wirklich sind: 1) absolut vergänglich (anicca), und 2) folglich unfähig irgendeine dauernde Befriedigung zu geben (also dukkha), funktionieren sie 3) ohne dauerhaftes Wesen (anatta). Als sie eine Arahat wurde, schwanden all ihre weltlichen Bindungen und sie lebte ab da jenseits von Sorge und Leid.

Die vielleicht bewegendste Geschichte einer Nonne, die einen langen Kampf durchstehen mußte, von dem Zeitpunkt ihrer Ordination bis hin zur völligen Erleuchtung, ist die Geschichte von Punna. Unter sechs früheren Buddhas, in den unermeßlichen Äonen vor Buddha Gotamas Wirken, war Punna eine Bhikkhuni. Sie war vollkommen tugendhaft und da sie den "Dreikorb" studiert hatte (Lehren des Buddha), wurde sie darin sehr bewandert und begann zu lehren. Es gelang ihr trotzdem aufgrund ihres Stolzes nicht, die üblen Gedanken zu beseitigen. Sie mußte sogar noch in der Zeit Buddha Gotama's schlechtes Karma abbauen und wurde als Sklavin geboren. Als sie eine von Buddha's Reden hörte, wurde sie eine "Strom-Eingetretene". Nachdem sie daraufhin ihrem Herrn geholfen hatte seine irrigen Ansicht zu überwinden, ließ er sie aus Dankbarkeit frei und sie konnte in den Orden eintreten. Nach so vielen mühsamen Lebenszeiten reifte das paramis, das sie als Nonne unter früheren Buddhas geschaffen hatte. Der Stolz oder Dünkel, ein Übel das immer als letztes schwindet, löste sich schließlich auf und sie wurde eine Arahat.

Wenn wir über die Erzählungen der Frauen nachdenken, die mit viel Eifer und Anstrengung vollkommene Erwachung erlangten, so können wir verstärkt mit unseren eigenen Bemühungen fortfahren, gleichgültig wie langsam uns der Fortschritt zu einer bestimmten Zeit auch erscheinen möge. In den "Gradual Sayings" (Band IV, S. 83-84) zeigt uns der Buddha anhand eines Gleichnisses, daß geistige Unreinheiten allmählich abgetragen werden müssen, so wie der Griff einer Zimmermannsaxt langsam abgenutzt wird. Obwohl der Holzfäller nicht sagen kann "dieser Teil des Griffs wurde heute abgenützt, dieser Teil letzte Woche", so weiß er doch, daß der Griff mit der Zeit kaputt geht. Dementsprechend wird ein Meditierender, der mit Hilfe eines guten Lehrers beständig versucht, die Vier Edlen Wahrheiten zu verstehen und in Einklang mit dem Edlen Achtfachen Pfad zu leben, seine Befleckungen allmählich beseitigen, auch wenn die dabei unternommenen Schritte verschwindend klein sind. Auch lehnte der Buddha es ab, die Zeit vorauszusagen, die vergehen würde, ehe das letzte Ziel erreicht ist. Dies hängt von vielen sich gegenseitig beeinflussenden Faktoren ab, wie z.B. vom guten und schlechten Karma aus der Vergangenheit und von der Summe an Bemühungen, die jetzt und in Zukunft aufgebracht werden. Ob es nun Millionen weiterer Lebenszeiten oder eine Woche dauert, unsere Mühen werden von dem Vertrauen unterstützt, daß Vervollkommnung von Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit völlige Loslösung und Befreiung von allem Leid bringt.

Befreiung bedeutet Verzicht auf Bindungen zu sich selbst und der Welt. Wir können den Prozess des Loslösen nicht beschleunigen; nur Einsicht in das durch Anhaften verursachte Leid kann ihn langsam vorantreiben. Wir müssen unsere geistigen Unvollkommenheiten geduldig annehmen, während wir versuchen sie zu beseitigen. Wir wären ja gar nicht hier, hätten nicht Unwissen und andere unheilsame Neigungen unsere Geburt verursacht. Wir müssen lernen in Gelassenheit mit diesen Neigungen des Geistes zu leben, während wir beharrlich an ihrer Ausrottung arbeiten. Läuterung unterliegt, wie alle anderen geistigen Vorgänge dem Gesetz von Ursache und Wirkung. Bei wiederholter Erwägung der restlosen Vergänglichkeit alles Seins, stellt sich langsam ein größerer Klarblick ein. Wenn wir in Momenten der Rückfälligkeit oder Dummheit geduldig sind und liebevoll mit uns Nachsicht üben, wenn wir unsere Arbeit energisch und mit Bestimmtheit weiterführen und nicht vom Weg abweichen, dann werden Ergebnisse schon hier und jetzt sichtbar. Und zur ihrer Zeit werden sie zur vollen Reife gelangen.

Betrachtung über den Sangha   

Der Sangha, der Orden der Mönche und Nonnen, dient der Erhaltung und Weiterführung der Lehre des Buddha; der Ausübung der Lehre haben die Angehörigen des Sangha ihr Leben gewidmet. Daher rät der Buddha zur Reflektion über den Sangha und seiner positiven Eigenschaften, als Unterstützung bei der Entfaltung eines gesunden Geistes. Wir können diese Betrachtung mit den Versen einer Bhikkhuni namens Rohini beginnen.

Ihr Vater hatte sie befragt, aus welchem Grund sie denke, Einsiedler und Mönche seien erhabene Wesen. Er behauptete, Asketen seien nur faul, und viele Menschen tun es heutzutage vielleicht ebenso - besonders Vertreter der strengen westlichen "Arbeitsmoral"; sie seien Parasiten, die nichts Lohnendes tun und von der Arbeit anderer leben. Rohini antwortete, sie sei überzeugt vom Wert geistiger Läuterungsarbeit und lebte völlig abgeschieden. So gelang es ihr, auch das Vertrauen ihres Vaters zu gewinnen, so dass er seine Zuflucht zum Buddha, zum Dhamma und zum Sangha nahm. Ihre Verse erleuchten uns möglicherweise ebenso:

Sie sind pflichtbewußt, nicht faul, Vollbringer der besten Taten; fern von Verlangen und Abneigung;

Sie befreien sich von den drei Wurzeln alles Üblen; alles Schlechte in ihnen ist beseitigt.

Ihre Taten sind rein; ebenso ihre Worte; ebenso ihr Geist.

Sie sind fleckenlos wie Perlmutt, durch und durch geläutert; erfüllt von einem unbeschränkt wohlwollenden Geist.

Sie besitzen großes Wissen, sind kundig in der Lehre, sie sind edel, leben in Einklang mit der Lehre und geben das Ziel und die Lehre an andere weiter. Sie haben einen aufmerksamen Geist, und die Achtsamkeit entfaltet.

Erfahren, achtsam, gemäßigt im Sprechen und ohne Eitelkeit erkennen sie das Ende des Leidens.

Wenn sie ein Dorf verlassen, schauen sie sich nicht (voll Verlangen) um; sie gehen ganz ohne Verlangen.

Sie speichern kein Gut weder in eine Vorratskammer, noch in einen Topf oder einen Korb, (sondern) sie gehen auf Almosengang nur um etwas Gekochtes.

Sie nehmen kein Gold, Münzen oder Silber; mit dem Gegebenen sind sie zufrieden.

Diejenigen, die vom Hause fortgezogen sind, kommen aus verschiedenen Familien und verschiedenen Ländern; und doch sind sie Freundlich zueinander; deshalb sind mir die Asketen lieb.

(Vers 275-285)

Der buddhistische Text bezieht sich auf zwei Arten des Sangha, den Ariya Sangha und den Bhikkhu Sangha. In den einleitenden Zellen beschreibt Rohini die Ariyas, die Edlen und dann diejenigen, die danach streben so zu werden. Die ersten drei Stufen der Ariyas können Laienanhänger oder Mönche und Nonnen sein. Aufgrund äußerster Reinheit können die vollkommen erleuchteten Nonnen nur im Orden leben. Diese Arahats haben ihren Geist von jeder Art von Gier, Haß und Unwissen, den drei Wurzeln alles Üblen befreit. Die anderen drei Arten Arahats streben danach, von allem frei zu werden, was von diesen Übeln noch in ihrem Geist vorzufinden ist. Alle 4 Arten der Aryias haben, graduell unterschiedlich, das Ende des Leidens erkannt. Durch diese Erfahrung des Nibbāna unterscheiden sie sich als "Edle" vom "Weltling".

In der nächsten Zeile spricht Rohini speziell über das Benehmen der Mönche und Nonnen. Sie wandern auf ihren Almosengängen in den Straßen umher und haben ihre Augen nur ein paar Schritte voraus gerichtet. "Sie sehen sich nicht um" da sie sich nicht im geringsten für das, was um sie herum geschieht interessieren. Sie besitzen kein Geld und begnügen sich mit dem Nötigsten - was immer die Laienanhänger ihnen geben. Schüler des Dhamma, die nicht im Kloster leben, täten gut daran, wie die Mönche, die eigentliche Reizlosigkeit des Daseins zu erwägen. Ein guter Mönch läßt seinen Blick nicht schweifen, vor allem nicht auf seinem Almosengang, denn auf seinem allmorgendlichen Weg ins Dorf trifft ihn eine Fülle von Sinneseindrücken, die ihn ablenken, wenn er seine Sinne nicht zügelt und Achtsamkeit übt. Ein guter Bhikkhu geht schweigsam von Tür zu Tür, bis genug Essen in seiner Schale ist, ohne daß er Begehren in seinem Geist aufkommen ließe. Solch ein Mönch interessiert sich nicht für die Einzelheiten des Lebens derer, die um ihn herum sind. Er hat beständig das wahre Wesen aller Dinge im Sinn nämlich ihre Vergänglichkeit, ihre Unmöglichkeit beständiges Glück zu geben und deren Wesenslosigkeit. Als Meditations-Schüler müssen auch wir uns, wie diese Bhikkhus darin üben, inmitten des Tumults und der Ablenkungen des Lebens gelassen und unberührt zu bleiben, indem wir uns daran erinnern, daß keines dieser Dinge es wert ist, daß man ihm nachläuft.

Rohini sagte auch, daß die edlen Mönche nicht auf Geld oder andere Besitztümer aus sind. Sie speichern nichts auf (Lebensmittel etc.). Stattdessen vertrauen sie auf ihr gutes vergangenes Wirken. Obwohl wir als Laien für unseren Lebensunterhalt arbeiten müssen, sollten wir dieses Verhaften beachten und uns eine ähnlich gelassene Einstellung gegenüber unserem Vermögen aneignen. Wir arbeiten für die Erhaltung unseres Lebens und des Lebens derer, die von uns abhängig sind. Wenn es uns aber gelingt zu lernen, die Gier nach der scheinbaren "Sicherheit" des Geldes zu verringern, werden wir erkennen, wie das Gesetz von Saat und Ernte funktioniert.

Der letzte Abschnitt im Vers sagt aus, daß das freundliche Miteinander innerhalb des Sangha durch Herkunft, Klasse oder Nation nicht beeinträchtigt wird. Dieser gute Wille ist sicher auch für uns Laien nützlich, wenn wir ihn im täglichen Leben praktizieren. Durch Eintritt in den Orden kann man sich völlig der Lehre widmen; die Mönche und Nonnen geben so uns Laien viele Beispiele, wie wir versuchen können die Lehre innerhalb der Grenzen unseres "Lebens im Hause" anzuwenden. Rohini's Gedicht hat uns einige solche Beispiele gezeigt.

Die Gefahr des irdischen Verlangens   

Eine Vielzahl von Nonnengedichten betonen die Gefahr weltlichen Verlangens. Die Bhikkhuni namens Sumedha schor sich den Kopf kahl, um ihre Eltern zu zwingen, die geplante Hochzeit zu annullieren und ihr den Eintritt in den Sangha zu erlauben. Doch bevor sie von zu Hause fortging, überzeugte Sumedha ihre ganze Familie und Dienerschaft von der Gültigkeit der Botschaft des Buddha. Ihrem Verlobten, König Anikaratta, erklärte sie die Nutzlosigkeit sinnlichen Verlangens und die Unersättlichkeit der Sinne:

Selbst wenn ein Regengott all sieben Arten von
Edelsteinen regnen lassen würde, bis
Erde und Himmel voll davon wären,
dennoch wären die Sinne voll Verlangen und die
Menschen würden unbefriedigt sterben.

(p. 176)

Gleichgültig wieviel irdische Güter wir auch besitzen mögen, wenn der Geist keine Weisheit gewonnen hat, wird das Begehren wiederkehren. Wenn die Unwissenheit nicht beseitigt wurde, wird das Verlangen nach mehr und anderen Objekten suchen, in der Hoffnung dauerhafte Befriedigung zu finden. Dauerhaftes Glück im weltlichen Bereich ist unmöglich, denn alle Sinnesobjekte ändern sich und verfallen jeden Moment, so wie es auch der Geist selbst tut. Der fortwährende Zustand tiefer Unzufriedenheit - Begierde nach Genuß - ist eine der vielen Formen gegenwärtigen Leidens. Außerdem erzeugt Verlangen selbst die karmische Energie, die das Leben zu den Wiedergeburten treibt, in fortgesetztem Bemühen nach Erfüllung. Wenn im Todesmoment der Geist noch voll Verlangen ist, folgt Wiedergeburt.

Nachdem sie diese Verse gesprochen hatte, hielt Sumedha vor der ganzen königlichen Gesellschaft ihres Palastes einen Vortrag über den hohen Wert menschlicher Geburt in der Unendlichkeit des Samsara. Das Leben in dieser Welt ist so wertvoll, denn es bietet uns die äußerst seltene Gelegenheit zu lernen, Wiedergeburt und Leiden zu beenden und Buddha's Lehren in die Praxis umzusetzen. Sumedha sprach auch über die Gefahren der sinnlichen Freude und sinnlichen Verlangens und über den Edlen Achtfachen Pfad. Eindringlich ermahnte sie ihre Zuhörer:

Wenn das Unsterbliche (Nibbana) existiert,
was wollt Ihr dann mit sinnlichem Vergnügen,
gleich glühendem Fieber?
Die Welt der Sinne
lodert ja wie ein Feuer.

(Vers 504)

Die Befriedigung, die das brennende Verlangen uns gewährt, wenn das Verlangen sein Ziel für einen Moment erreicht hat, ist nur kurz. Sumedha drängt ihre Familie, hinter solch verwirrende und unheilsame Bindungen schaffende Vergnügen zu blicken und die Worte des Erwachten zu beachten, die den Weg zu völligem Frieden, jenseits allen Begehrens zeigen. Sie ermahnt sie, auf einen längerfristigen Nutzen zu achten und sich nicht von den flüchtigen Momenten eines Glückes einfangen zu lassen, das durch die momentane Befriedigung des sinnlichen Verlangens entsteht. Sie erinnert sie mit Worten, die auch wir uns ins Gedächtnis rufen sollten: "Das Sinnesverlangen verdirbt jene, die nicht lassen können". (S. 176). Sich an Vergnügen zu klammern bringt immer Schmerz. Diese Gefühle sind allzu vergänglich, auch wenn sie uns momentan vielleicht sehr angenehm erscheinen. Sie werden durch Bedingungen beeinflußt, die wir nicht völlig kontrollieren können. Wir wünschen uns immer, daß das angenehme bleibt, trotz der Tatsache, daß es sich stets wandelt und vergeht, und wir wehren uns vor dem Unangenehmen, dem doch so oft Unvermeidlichen, anstatt es gelassen anzunehmen. Sumedhas Gedicht erklärt diese Weisheit; es ist das letzte im Originaltext des Therigatha und bietet eine Zusammenfassung der Lehren Buddhas über die Gefahr der Begierde.

Auch die Bhikkhuni Subha geht näher auf die Gefahr der weltlichen Wünsche ein; sie benutzt dabei einige eindrucksvolle Vergleiche, um die gewaltige Gefahr zu zeigen, die dem Hang zur Welt innewohnt. Irrt folgenden Vers aus dem Samyutta Nikaya kann ein Meditierer viel entdecken, indem er über Subha's eindringliche Bilder nachsinnt:

Möge ich nicht wieder auf sinnliches Vergnügen treffen, das keine Zuflucht bietet. Sinnliche Freuden sind Feinde, Mörder, wie ein loderndes Feuer, schmerzhaft.

Habgier ist ein Hindernis, voll von Furcht, Ärger, Dornen, sie ist beschwerlich. Sie macht blind ...

Sinnliche Freuden verwirren und enttäuschen, sie wühlen den Geist auf; ein Netz, von Mara ausgeworfen zur Fesselung der Wesen.

Sinnliche Freuden bergen endlose Gefahr, große Schmerzen, machen dabei nur wenig Vergnügen, verursachen Streit und lassen die Tugenden versiegen.

(Vers 351f., 357f.)

Diese Zeilen zeigen uns die Gefahr und das Leid, dem wir begegnen, wenn wir uns in unserem Tun allzu sehr von weltlichem Verlangen leiten lassen. Nur das eigene Erkennen dieser Gefahren motiviert einen Meditierenden, vollkommen achtsam zu werden, sich den Folgen seiner inneren und äußeren Handlungen gewahr zu werden und stets nach Loslösung zu streben. Wenn wir das Leid studieren, müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, ob wir unsere Wünsche beherrschen oder unsere Wünsche uns. Gemeinsam mit Subha können wir erkennen, daß weltliche Gelüste Gefahren sind, und daß sie die ganze Qual der nachfolgenden Geburten verursachen.

Eine unserer Aufgaben bei der Suche nach Befreiung ist die, unseren Geist darin zu Oben, das Verlangen zu erkennen, wenn es an den Sinnespforten entsteht. Ebenso sollten wir beobachten, wie es andauert und wie es wieder vergeht. Haben wir das wieder und wieder getan, werden wir verstehen, daß jedes Begehren oder jede Neigung dazu bestimmt ist unglücklich, da vergänglich, zu enden.

Der Versuch diese Achtsamkeit ohne spezielles Training zu üben, wird wahrscheinlich scheitern, denn der Weltling, der Durchschnittsmensch, nimmt im Verlangen kein Leiden wahr. Ihn beschäftigt nur das zu erwartende Glück der Befriedigung. Er denkt stets, "Wenn es nur endlich geschieht, ist alles gut." Aber in dem Maße, in dem wir unser Tun und Reden durch sittliche Gesinnung erhellen, unsere Sinne durch Meditation beruhigen, und unter der Leitung eines guten Lehrers die Praxis der Vipassana-Medhation lernen, werden wir immer klarer erkennen, daß alles Verlangen Leid bedeutet und in Zukunft noch mehr Leiden verursacht. Auch werden wir dann merken, wie oft sich das Erreichen eines begehrten Objekts als Enttäuschung erweist, ' und - nicht das erhoffte Glück - sondern nur Leere zurückläßt. Das Ergebnis einer solchen Meditation ist ein friedvoller Geist und der erlaubt uns klare Wahrnehmung der Dinge so wie sie wirklich sind, unvermischt mit Vorurteilen, Halbwissen und Emotionen.

So entsteht erstmals eine klar gesichtete, wohl geprüfte und gesicherte Erkenntnis auf deren Grundlage der Einzelne es leicht vermag, die seinem Wohl förderlichen Dinge zu betreiben und die nicht förderlichen Dinge zu unterlassen. In der Vipassanā Meditation wird der Geist geschult, die vergängliche Beschaffenheit von Körper und Geist selbst sowie von äußerlichen Sinnesobjekten unmittelbar zu erfahren. Mit diesem direkten Wissen bzw. der so erfahrenen Einsicht, wird das vom Weltling so leidenschaftlich begehrte "Glück" wirklichkeitsgemäß nur als eine andere, feinere Leidensform betrachtet, und die ständige durch Unwissen sowie Begehren verursachte Spannung, die sich in jedem unbefreiten Geist findet, wird offensichtlich. Dann löst sich der Geist von allem Weltlichen und weiß unverbrüchlich: dem Verlangen folgt untrennbar das Leid.

Die Gefahr der Liebe zur eigenen Schönheit   

Damals wie heute, bedienten sich Frauen in allen Lebensphasen der unterschiedlichsten Mittel, um ihre Schönheit zu steigern und die Anzeichen fortschreitenden Afters zu verstecken. Dies ist jedoch ein nutzloser Versuch vorzutäuschen, der Körper altere nicht. Doch wenn Weisheit anstelle von Cremes und Schönheitswasser gegen den Alterungsprozess eingesetzt wird, wächst unser Verständnis für die Unbeständigkeit in jedem Bereich.

Ambapali war eine reiche und schöne Kurtisane zur Zeit Buddha's. Bevor sie Buddha predigen hörte, war ihr einziges Anliegen, ihre berühmte Schönheit zu pflegen und zu bewahren. Mit Buddha's Hilfe konnte sie die Unvermeidlichkeit des Alterns und den Verlust ihrer Schönheit akzeptieren und war fähig das Leid des Altwerdens zu verstehen:

Meine Augen glänzten, prächtig wie Juwelen, so schwarz und groß. Jetzt, gealtert, sehen sie nicht mehr schön aus. Nicht anders sagt es der Erwachte.

Früher waren meine Hände schön, verziert mit goldenen Ringen. Durch's Alter gleichen sie jetzt Zwiebeln und Rettichen. Nicht anders sagt es der Erwachte.

Früher war mein Körper schön, wie ein auf Hochglanz poliertes Goldblatt. Nun ist er mit vielen Runzeln bedeckt. Nicht anders sagt es der Erwachte.

Das war dieser Körper. Nun ist er altersschwach, viele Schmerzen wohnen ihm inne, ein altes Haus von dem der Putz abfällt. Nicht anders sagt es der Erwachte.

(Vers 257, 264, 266, 270)

Ambapali erkennt, daß alle Reize des Körpers schon bald der Häßlichkeit und den Schmerzen weichen, weil der Alterungsprozess seinen Tribut fordert, so wie der Buddha dies lehrt. Alle körperliche Schönheit, so vollkommen sie in der Zeit der Jugend auch gewesen sein mochte, sie ist völlig unbeständig. Schon wenn sie ihren Gipfel erreicht hat, beginnt der Glanz der Augen zu ermatten, auch wenn dies nicht gleich sichtbar ist; die Festigkeit der Glieder schwindet dahin; glatte Haut wird runzelig. Ambapali erinnert uns daran, daß jeder Körper der Unbeständigkeit und dem Verfall obliegt, ebenso wie alles andere im Universum.

Auch Khema, die Frau von König Bimbisara, war von ihrer eigenen Schönheit gefesselt, ehe sie den Buddha traf. Doch Khema hatte bei einem der früheren Buddha's ein Gelübde abgelegt, um unter Buddha Gotama große Weisheit zu erlangen. In den Zeiten in denen verschiedene andere Buddhas wirkten, hatte sie Klöster angelegt, die sie dem jeweiligen Buddha und seinem Sangha stiftete.

In ihrem letzten Leben aber sträubte sich Khema, Buddha Gotama zu treffen. Vielleicht versuchten ihre "Mara Kräfte" ein letztes Mal sie im samsara festzuhalten. Doch sie waren zum Scheitern verurteilt, denn die Kraft ihres früheren guten Wirkens war stärker. König Bimbisara mußte sie beinahe überlisten, um sie zum Buddha zu bringen, denn seine Königin Khema legte so viel Wert auf ihr Äußeres, daß sie befürchtete, dies würde Buddha's Mißfallen erregen. Sollten wir jemals unseren Widerstand gegen den Dhamma bemerken, so können wir uns an Khema ein Beispiel nehmen und uns an die Vergänglichkeit dieser Geisteshaltung erinnern. Dann werden wir es nicht als einen schweren persönlichen Fehler nehmen. Des Geistes alte Gewohnheiten sind nicht rein und so gibt es Zeiten, in denen er daran gebunden ist, sich gegen den Ablauf der Reinigung zu wehren. [jb]

Der Buddha aber wußte, wie er Khema's Eitelkeit und ihre Selbstüberschätzung zügeln konnte. Er schuf, nur für sie sichtbar, das lebendige Bild einer Frau, die noch reizvoller war als sie. Als sie in seine Nähe kam, sah Khema wie diese andere Frau dem Buddha zufächelte. Da ließ der Buddha das schöne Bild vor den Augen der Königin mehr und mehr altern, bis sie nur noch ein Haufen verwester Knochen war. Als sie das sah, erkannte Khema erstmals, daß ihre eigene Schönheit nicht unübertroffen war. Das brach ihren Stolz. Zum zweiten begriff sie etwas, das noch wichtiger war, nämlich daß sie selbst alt und schwach werden würde.

Dann hielt der Buddha eine Lehrrede und Khema wurde eine "Strom-Eingetretene". Sie durchlief dann in rascher Folge die übrigen drei Stufen der Erleuchtung und wurde auf der Stelle eine Arahat. Daraufhin teilte Buddha dem König Bimbisara mit, daß sie entweder noch am heutigen Tag ordinieren oder sterben müsse; der König konnte den Gedanken nicht ertragen, sie so schnell zu verlieren und gab ihr die Erlaubnis in den Orden einzutreten. So wurde sie, bereits eine Arahat, ordiniert - dies ist einer der seltenen Fälle in denen ein Mensch ein Arahat vor seinem Eintritt in den Sangha wurde. Khema hatte also tatsächlich einzigartiges paramis erzeugt, indem sie früheren Buddhas große Geschenke machte und ihre Lehren gründlich studierte.[2] Hier sehen wir wiederum, wie wichtig es ist in der Gegenwart starkes gutes, auf Weisheit beruhendes Karma zu erzeugen, auch wenn es in diesem Leben noch keine oder nur geringe Früchte trägt. Je mehr gute und weise Taten wir jetzt vollbringen, desto leichter haben wir es in Zukunft. Natürlich ist die Meditation hier das wertvollste Wirken.

Im Therigatha, wird Khema's Gedicht in Form eines Gesprächs mit Mara dargestellt, dem Wesen das die Kräfte des Bösen beherrscht und symbolisiert. Mara lobt Khema's Schönheit, und ihre Antwort zeigt, wie völlig sich ihre Einstellung zu sich selbst und dem Leben geändert hat, nun da sie die wahre Natur der Dinge richtig verstanden hat:

Dieser Körper ist eine gewöhnliche und widerwärtige Stätte von Krankheit und Fäulnis,
wegen ihm verspüre ich Widerwillen und Not. Das Begehren, die Lust sind jetzt vernichtet.
Die Lüste des Körpers und des Geistes sind scharf wie Messer und Dolche.
Sprich mir nicht von der Wonne an sinnlichem Vergnügen!
All diese Eitelkeiten können mich nicht mehr erfreuen.

(S. 83)

Dann sagte sie, Mara sei bei jenen, die glaubten, daß allein rituelle Bräuche zu geistiger Läuterung führen. Khema sagt, daß Menschen, die Feuer oder Sternbilder usw. anbeten, die Wirklichkeit nicht kennen und sich ihrer üblen Gedanken durch solche Praktiken nicht entledigen können. Deshalb muß der Glaube an Befreiung durch Regeln und Riten überwunden werden, um die Stufe des "Strom-Eintritts" zu erreichen.

Khema beendet ihre Verse mit einem Ausruf tiefer Dankbarkeit gegenüber Buddha, dem Höchsten unter den Menschen. Ihre letzte Zeile ist ein wahrhafter "Löwenruf":

Völlig frei von allen Sorgen bin ich,
Die Lehren des Buddha hab' ich vollbracht.

(S. 3-4)

Khema war aktiv, d.h. sie setzte die Lehre aller Buddhas in die Tat um, und das hat sie jenseits der Leidenswelt gebracht.

Weitere Gespräche mit Mara   

Einige andere gesprächsartige Verse des Therigatha wurden ebenfalls in Form einer Diskussion mit Mara verfaßt. Typisch dafür ist, daß Mara die Arahat-Nonne befragt, warum sie nicht an den "schönen Dingen des Lebens" interessiert ist. So bedrängte Mara z.B. Sela, die sinnlichen Vergnügen zu genießen, solange ihre Jugend es erlaubt. Die Antwort der Theri zu den Gefahren solcher Vergnügen sind Gleichnisse, die so kraftvoll sind, wie die von der Bhikkhuni Sumedha:

Sinnliche Vergnügen sind wie Schwerter und Pfähle; an denen sich die Wesen aufreiben, gefangen von Gier und Unwissen; was Du "Freude an sinnlichem Vergnügen" nennst, ist für mich jetzt keine Freude mehr.

(Vers 58)

Sicher haben viele von uns auch die eigene innere Stimme von Mara gehört, die uns drängt "einfach eine schöne Zeit zu verbringen und uns nicht um die langfristigen Folgen unseres Tun's und Lassen's zu kümmern." Wenn wir uns aber oft und früh genug an die schmerzlichen Nachwirkungen solcher Freuden" erinnern besonders an jene, bei denen moralische Gesetzmäßigkeiten übertreten wurden - werden wir diese besonders schädlichen Sinnesfreuden durchschauen und uns so allmählich von ihnen lösen.

In einem der Gespräche aus dem Samyutta Nikaya, erzählt Cala Mara, daß sie, im Gegensatz zu den meisten Menschen, keine Freude empfindet geboren zu werden, trotz der sogenannten sinnlichen Vergnügen, die das Leben ermöglicht. Mit klarer Einfachheit zeigt sie, daß Geburt letztendlich nichts als Leiden mit sich bringt:

Einmal geboren sterben wir. Einmal geboren sehen wir die Leiden des Lebens
Von den Fesseln, den Qualen, vom Samsara - bin ich erlöst.

(p. 186)

Auch wir sollten ein Verständnis entwickelt, um eine Ablösung von den giftgetränkten sinnlichen Vergnügen, die im weltlichen Leben angeboten werden, zu entwickeltn. [jb]

Die Anatta-Lehre   

Einer der einzigartigen Gesichtspunkte der Lehre Buddha's ist die Lehre des anatta, die unpersönliche, wesenlose, ichlose oder seelenlose Natur aller Erscheinungen. Diese allumfassende Charakteristik ist schwer zu verstehen, da sie im Gegensatz zu unserer tief verwurzelteten Annahme steht, daß ein "Ich" existiert, daß „Ich" handle und "Ich" fühle.

In den folgenden Zeilen ihres Gedichts aus dem Therigatha, bringt Sakula ihr Verständnis von der unpersönlichen Eigenschaft alles Gewordenen zum Ausdruck:

Als ich die Dinge gemäß ihres wahren Wesens sah, als bedingt entstanden und dem Verfall unterworfen, war aller Dünkel beseitigt, ich wurde leidenschaftslos und gelassen.

(v. 101)

Sakula erreichte Nibbana, weil sie mit absoluter Klarheit erkannte, daß alles was normalerweise als "ich" gilt, tatsächlich "Nicht-Ich" ist. Sie wußte, daß das plötzliche Entstehen und Vergehen all dieser Erscheinungen nur abhängig ist von unpersönlichen Ursachen. Dieses Verständnis hat jede Neigung, sich an die sankhara oder die "bedingten Gebilde" zu klammern ausgelöscht, und damit waren alle negativen geistigen Neigungen verschwunden.

Als Mara die Nonne Sela fragte, "Wer schuf diesen Körper, woher ist er gekommen und wohin wird er gehen?", gab sie eine Abhandlung über die Ichlosigkeit zur Antwort:

Diese Gliederpuppe ist nicht selbstgemacht, und
auch ward dies Übel nicht von einem anderen geformt.
Durch eine Ursache entstand es;
durch eine andere Ursache vergeht es.
Wie ein Samen, der im Feld gesät wurde,
und durch die Fruchtbarkeit der Erde und durch
Feuchtigkeit – durch diese beiden wächst,
So entstehen die fünf Daseinsgruppen, die
bedingten Dinge, und die sechs Fähigkeiten
- jedes von ihnen - durch eine Ursache;
Durch eine andere vergehen sie.

(S. 189-190)

In den letzten vier Zeilen, wird das Selbst erörtert, wie es wirklich ist - eine Zusammensetzung von bedingten, sich ändernden Erscheinungen. Die fünf Daseinsgruppen bilden in zweifacher Gliederung nama (Geist) und rupa (Körperlichkeit), wobei jedes von ihnen aus Gruppen kurzlebiger Faktoren besteht. Nama, die geistige Seite des Daseins setzt sich aus den vier unkörperlichen Daseinsgruppen zusammen - Gefühl (vedana), Wahrnehmung (sanna), Geistesformationen (sankhara), und Bewußtsein (vinnana) - die in jedem Augenblick der Erfahrung gemeinsam entstehen. Rupa, (die 5. Daseinsgruppe) die äußerliche Materie oder die Materie des eigenen Körpers, besteht ihrerseits aus den vier Elementen Festes, Flüssiges, Hitziges und Gasiges (oder bildhafter: Erde, Wasser, Feuer, Luft), gemeinsam mit den abgeleiteten Arten von Materie, mit sie gemeinsam zu jedem Zeitpunkt als materielle Gruppierungen (kalapas genannt) existierend, millionenfach pro Sekunde aufkommen und vergehen. [jb]

Jede Daseinsgruppe entsteht aufgrund bestimmter Ursachen und wenn diese Ursachen enden, hören auch die Daseinsgruppen auf. Ursachen, oder Bedingungen, verknüpft mit Wirkungen bilden das Gesetz der Bedingten Entstehung (paticcasamuppada), welches im Mittelpunkt von Buddha's eigenem Erwachen steht. Der Refrain in Sela's Gedicht (Zeilen 3-4 und 10-11) ist genau gesagt eine Neugestaltung der meist sehr allgemeinen Ausführung dieses Gesetzes, wie sie in den suttas oft aufgeführt wird:

Wenn dies ist, ist jenes;
wenn dies entsteht, entsteht jenes.
Wenn dies nicht ist, ist jenes nicht;
wenn dies aufhört, hört jenes auf.

Die typische Verknüpfung im Kreis der bedingten Entstehung in Sela's Vers wird an folgender Stelle am besten deutlich: "Durch Bewußtsein bedingt, entsteht Geist und Körper." Das heißt, daß im Augenblick der Vorstellung nama-rupa (in diesem Fall Bewußtsein ausgenommen) entsteht, gemäß des mit Wiedergeburt verknüpften Bewußtseins. Später, im Verlauf eines Daseins, entsteht durch Unwissenheit, vergangenes Karma, Sinnesobjekte und viele andere Bedingungen nama, die geistige Daseinsgruppe. Rupa, die Materie die den Körper bildet, entsteht im Verlauf des Lebens durch die Nahrung, das Klima, den gegenwärtigen Geisteszustand und das vergangene Karma.

Sela bezieht sich auch auf die Elemente, dhatu, ein Wort das Buddha auf verschiedene Erscheinungsgruppen anwendete. Wir wollen hier die achtzehn Elemente betrachten. Die fünf Sinneskräfte (Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper), ihre Objekte (Gesehenes, Gehörtes, Geruch, Geschmack, Berührung), und die fünf Arten von Bewußtsein, bedingt durch ihr Zusammenwirken, machen fünfzehn der Elemente aus. Geist als Fähigkeit, geistige Objekte (Ideen) und das geistige Bewußtsein das entsteht, wenn diese beiden zusammentreffen, sind das sechste in jeder Gruppe und vervollständigen die achtzehn.

Buddha erstellte verschiedene Gliederungen der bedingten Erscheinungen, so daß Zuhörer mit unterschiedlichen Neigungen davon profitieren konnten. Einige verstehen die achtzehn Elemente klar, andere die fünf Daseinsgruppen. Wie auch immer, was wir verstehen müssen, so wie es auch Sela verstand, ist daß keines dieser Dinge "ich" enthält oder "mein" oder "Ich selbst". All diese Erscheinungen - die Daseinsgruppen, die Elemente, die Sphären entstehen aufgrund bestimmter Bedingungen, und wenn diese Bedingungen enden, haben natürlicherweise auch die Daseinsgruppen ein Ende. Wenn die treibende Kraft der jeweiligen Ursachen verbraucht ist, hört all das, was wir irrtümlicherweise für "ich" oder "mein" gehalten haben mit all seinen Aspekten auf. So erkennen wir mit Sela, daß es nirgendwo ein wirkliches, unabhängiges oder bleibendes "Ich" gibt, das die Kraft besitzt, sich selbst zu schaffen und zu erhalten. Es existiert nur die Vorstellung "ich bin", die durch Unwissen bedingt ist, d.h. durch unsere Unfähigkeit Geist-und-Körper so zu sehen wie sie wirklich sind, nämlich als unpersönliche Prozesse. Die Idee vom "ich" ist wesenlos und bedingt durch Ursachen; auch sie ist von Natur aus unbeständig, und verschwindet ganz, wenn Unwissen und andere Bedingungen ausgerottet sind. Dann ist man ein Arahat.

Die Beseitigung des Unwissens vollzieht sich in der Vipassana Meditation Schritt für Schritt. Man erkennt, daß die Einheit von Geist-Körper auf seiner letzten Stufe in jeder Hinsicht bedingt, wesenlos, vergänglich und bedrückend ist. Man begreift, daß ein so genanntes "Wesen" erst dann geboren wird, wenn die entsprechenden Umstände eintreten. Erst dann wird eine aus fünf Daseinsgruppen bestehende Lebensfortdauer ein neues Leben, mit seinen Grundlagen, Elementen und Sinnesorganen beginnen. Wenn wir Seide Gleichnis vom Samenkorn genau betrachten, werden wir in Bezug auf uns selbst erkennen, wie eine strenge Folge von kosmischen und anderen Ursachen und Wirkungen alles im Leben lenkt. Wir werden entdecken, daß es kein zugrunde liegendes oder vergehendes "Ich" das selbst handelt oder etwas erlebt und wir werden beginnen, unsere Bindung zu diesem nichtexistenten "Selbst" zu lösen. Dann werden wir auch damit anfangen, das schreckliche, mit dieser Täuschung verbundene Leiden zu beenden.

Das Leiden ergibt sich aus diesem falschen Glauben an ein "Ich", und wird sakkayaditthi, die falsche Auffassung eines dauerhaften Selbst genannt. Auf der Grundlage dieser Vorstellung erzeugt der Geist all seine leidvollen Gedanken: "Ich muß dies haben," "Ich mag jenes nicht," "Dies gehört mir." Wegen dieses Irrtums, es gäbe ein Selbst, das uns lenkt, sind wir Äonen im Samsara umhergeirrt und haben gelitten. Um, wie Theri Sela, all das dukkha des Seins zu beseitigen, müssen wir durch Vipassana Meditation Einsicht erlangen, um an den Punkt zu kommen, an dem das Verständnis der endgültigen Wahrheit über Geist und Körper den falschen Glauben an ein "ich" auslöscht. Mit Hilfe der Worte dieser Bhikkhuni können wir unsere eigene meditative Erfahrung mit der wesenslosen Natur der fünf Daseinsgruppen anregen.

Männer und Frauen im Dhamma   

Der Unterschied zwischen Mann und Frau spielt im Therigatha, was den Dhamma betrifft, eine untergeordnete Rolle. Hierfür gibt es zwei Arten: einmal Gedichte, in denen das Geschlecht einer Person belanglos ist, um Einsicht zu gewinnen, und zum anderen Beispiele von Nonnen, die im Gespräch mit einem Mann diesen konkret erleuchten oder belehren. Die bereits besprochenen Geschichten von Sumedha und Rohini sind typisch für letzteres.

Ein Beispiel für die zuerst genannte Art ist Soma's Widerspruch auf Mara's Frage nach der Fähigkeit einer Frau, Arahatschaft zu erlangen. Soma ließ Mara erkennen, daß die "Natur der Frau" nicht hinderlich sein muß, um die für Befreiung erforderliche Einsicht zu erlangen. Das im Therigatha geschilderte Treffen von Soma und Mara wird in Soma's Versen aus dem Samyutta Nikaya gut erklärt, indem sie eine rhetorische Frage stellt:

Was sollte die weibliche Natur denen anhaben
deren Herzen stark sind, die stets mit
wachsender Weisheit auf dem Pfad vorwärts schreiten?

(S. 45; 182-183)

Entwickelt man wirklich Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit, so spielt es keine Rolle ob man als Mann oder als Frau geboren wurde. Der Einblick in das Gesetz ist von oberflächlichen Unterscheidungen, von Geschlecht, Rasse, Kaste usw. gänzlich unabhängig. Soma fügt hinzu, daß man unter Mara's Einfluß steht, sobald man überlegt, "Bin ich in diesen Dingen eine Frau, oder bin ich ein Mann, oder was bin ich sonst?" Sich viel mit solchen Fragen zu beschäftigen, bedeutet auf der Stufe der konventionellen Wahrheit stehenzubleiben und sich an das nichtexistente Selbst zu klammern. Wiederholtes Grübeln, welches Geschlecht nun das bessere sei, oder Grübeln über "Benachteiligungen" erzeugen unheilsames Karma. Gedanken wie diese sind im Anhangen an "Ich" und "Mein" verwurzelt und eng verwandt mit dem Vernichtungstrieb oder dem Begehren.

Darüber hinaus lenkt es uns von der dringlichen Aufgabe der Selbstläuterung ab, wenn wir unsere Zeit mit solchen Gedanken verschwenden. Meditierende, die Mara's Netz entkommen möchten, sollten diese Gedanken verwerfen, sobald sie diese bemerkt haben und ihnen nicht nachgeben oder sie gar weiterspinnen. Soma und all die anderen Nonnen befolgen genau den Rat des Buddha, wenn sie uns ermahnen, ausschließlich bei der Beschäftigung zu bleiben, die uns ermöglicht einmal alles Leiden zu überwinden. Alle nebensächlichen Probleme werden ihre Bedeutung verlieren, und mit zunehmender Weisheit verschwinden. Unser Geist wird bei der höchsten Wahrheit bleiben und kein Interesse mehr an weltlichen Belangen haben, wenn wir vollständig erkannt haben, daß alle Wesen nur unpersönliche, unbeständige Geist-Körper-Prozesse sind, die Karma erzeugen und dessen Auswirkung zu spüren bekommen.

Die Geschichte von einer Bhikkhuni, die als "Vaddha's Mutter" bekannt war, ist eine, in der eine Nonne einen Mann auf ihre Weise den Dhamma lehrt. Diese Frau trat dem Sangha bei, als ihr Sohn Vaddha klein war, so daß er von Verwandten aufgezogen wurde. Später ordinierte auch er und beschloß eines Tages, seine Mutter in der Unterkunft der Bhikkhunis zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit ermunterte sie ihn, das höchste Ziel anzustreben und zu erreichen:

Vaddha, mögest du zu keiner Zeit Begierde nach der Welt verspüren. Kind, hab nicht wieder und wieder am Schmerz der Welt teil.

Verweile glücklich bei den Weisen, frei von Lust, ohne Zweifel und selbstbeherrscht; Frei von den geistigen Trübungen.

Oh Vaddha, geh' den Weg der Einsichtigen um Weisheit zu erlangen, um dem Schmerz ein Ende zu bereiten.

(Vers 204-205)

Aus diesen Zeilen folgerte Vaddha, daß seine Mutter das Ziel erreicht hatte und sie bestätigte es ihm. Und wieder drängt es sie ihn, "den Pfad zum Ende des Leidens" in sich selbst zu entfalten. Vaddha wurde von den Worten seiner Mutterso stark inspiriert, daß er selbst die Arahatschaft erlangte und die folgenden Zeilen sprach:

Wahrlich meine Mutter gab mir, von Mitgefühl bewogen, den Besten Rat, nämlich die Lehre, die zum höchsten Ziele führt.

Nachdem ich ihre Worte gehört hatte, erreichte ich einen Zustand köstlichen Gefühls, und das Ende der Mühen für immer.

(Vers 210-211)

Das ist ein Beispiel in dem eine vollkommen heilgewordene Frau, durch ihre Belehrung einem Mann zu höchster Weisheit verhalf, dessen paramis reif genug war, äußerste Durchdringung aufzubieten und so die ganze Frucht der Läuterungsarbeit zu erfahren.

Die fünf Daseinsgruppen und Nibbāna   

Das Culavedalla Sutta (Middle Length Sayings, Band. I) ist ein weiterer Lehrtext, in dem eine Bhikkhuni einem Mann die Lehre darlegt. Dieser wichtige Text ist ein Gespräch über einige zentrale Punkte des Dhamma, wobei die Theri Dhammadinna Fragen ihres früheren Ehemanns, dem Laienanhänger Visakha beantwortet. Sie waren einige Zeit verheiratet, als er die dritte Stufe der Heiligkeit erreichte, die der "Nicht-Wiederkehr" (anagami), indem er alle Spuren des Vernichtungstriebes und sinnlichen Begehrens ausgerottet hatte. Dhammadinna lernte dann von ihm, daß auch Frauen ihren Geist läutern können und erhielt seine Erlaubnis in den Orden einzutreten. Vor dem folgenden Gespräch, mußte sie bereits die Arahatschaft, die vierte und letzte Stufe des Heilwerdens erlangt haben.

Visakha fragte Dhammadinna als Erstes, was der Buddha denn meint, wenn er sich der herkömmlichen Sprache bedient und vom „eigenen Selbst"[3] spricht. Als ein "Nicht-Wiederkehrer" kannte Visakha die Antwort auf diese grundlegende Frage bereits, doch er stellte sie als eine Art Einführung vor den nachfolgenden Fragen. Dhammadinna's Antwort gibt uns Anlaß zum Nachdenken. Sie sagt, daß die "fünf Gruppen des Greifens oder Anhaftens" (pancupadanakkhandha) eben jenes "Selbst" enthalten. Sie definiert die Gruppen der Fassungskraft als:

die Gruppe der Begierde nach Körperlichkeit,
die Gruppe der Begierde nach Gefühl,
die Gruppe der Begierde nach Wahrnehmung,
die Gruppe der Begierde nach Geistesformation,
die Gruppe der Begierde nach Bewußtsein.

Das Zusammenspiel dieser an sich unpersönlichen und vergänglichen fünf Gruppen betrachtet der Weltling als sein „Ich" oder „mein". Damit verbunden ist: sakkayaditthi, die Ansicht, daß es ein dauerhaftes Selbst (etwa eine ewige Seele) gibt. In Wirklichkeit gibt es nichts, das der Vorstellung vom "ich" entsprechen könnte. Es ist lediglich die Fehldeutung dieser fünf Gruppen, in die das "ich" zerfällt, die unsere Einbildung von etwas Wesenhaftem fortbestehen läßt. Wenn wir das erkennen können, werden wir sakkayaditthi anzweifeln und erkennen, daß es in Wirklichkeit kein Wesen gibt, sondern nur diese fünf Daseinsgruppen, deren Bestandteile selbst dem ständigen Wechsel unterworfen sind.

Die nächste Frage, die Visakha an Dhammadinna stellt, betrifft die Gründe für das Entstehen der Daseinsgruppen. Mit einem Zitat Buddha's antwortet sie, daß die Ursache für die Daseinsgruppen folgende ist: "Es ist jenes zum Wiederdasein führende, mit Lust verbundene, bald hier und da Gefallen findende Begehren, nämlich: das sinnliche Begehren, das Daseinsbegehren und das Selbstvernichtungsbegehren".

Jedes Begehren trägt immer wieder zur Entstehung der fünf Daseinsgruppen bei. Weltliche Dinge oder himmlisches Dasein ("Verlangen nach Sinnesfreuden") zu begehren, führt zu Wiedergeburt und erneutem Leiden, grob oder fein. Der Wunsch nach immer mehr ("Verlangen nach Werden") verstärkt Anhaften und Unwissen, die uns im Samsara. halten. Der Glaube, daß es kein Leben nach dem Tod gibt untergräbt die Lehre vom eigenen Wirken und seinen Folgen sowie das Verständnis wesentlicher Aspekte moralischen Handelns. [jb]

Nach einer langen Reihe von Fragen und Antworten über die Vier Edlen Wahrheiten, dem Erreichen des Endes, Gefühl usw., stellt Visakha eine letzte Frage: "Und was, ist das Gegenstück (d.h. Entsprechung) des Nibbana?" Da gebot Dhammadinna ihm Einhalt:

Das Fragen ist nun überschritten, lieber Visakha, für diese Frage gibt es keine Antwort. Der Reinheitswandel hat Nibbana als Ziel, Nibbana als Folge und Nibbana als Ende.

Nichts kann mit Nibbana verglichen werden, da alles andere, ob geistig oder körperlich, bedingt entsteht und vergeht. Nur Nibbana allein ist nicht bedingt und daher unvergänglich. Das Ziel der Lehre des Buddha ist es über den Bereich vergänglicher, unbefriedigender Erscheinungen hinaus zum völligen Frieden des Nibbana zu kommen. Es ist von Nutzen dieses Ziel während der ersten Medltationsstufen im Sinn zu behalten, auch wenn es vielleicht noch entfernt und verschwommen erscheint. Der Wunsch, Nibbana zu erreichen nimmt langsam zu. Wird dieser Wunsch häufig erwägt und mit Vipassana-Meditation verbunden, wird das zu einer Unterstützung auf dem Weg. Es wird auch die Ablenkungen durch Vergnügungen, denen wir auch weiter begegnen, verringern.

Nach dieser Befragung schlägt Dhammadinna vor, Visakha solle den Buddha nach all diesen Dingen fragen, um sicher zu sein und die Antworten dann gut behalten. Visakha nahm den Gedanken auf und wiederholt später, vor dem Buddha, seine gesamte Unterhaltung mit der Theri. Der Erwachte antwortet indem er sie lobt:

Klug, Visakha, ist die Nonne Dhammadinna, von großer Weisheit. Hättest Du mich nach diesen Dingen gefragt, Visakha, so hätte ich Dir genauso wie die Nonne Dhammadinna geantwortet.

Kamma und seine Früchte   

Betrachten wir zu letzt ein Gedicht, in dem eine Bhikkhuni detailliert einige ihrer vorhergehenden Leben beschreibt und ihrem Fragesteller zeigt, wie sie das Gesetz der karmischen Ursache und Wirkung begriffen hat.

Isidasi hatte lang zuvor, zu Zeiten früherer Buddhas viel gutes paramis erzeugt. Doch vor ungefähr sieben Leben, als sie ein junger Mann war, hatte sie Ehebruch begangen. Nachdem sie dieses Dasein verlassen hatte, mußte Isidasi die Folgen dieser unmoralischen Tat erleiden:

Nach dem Tod gelangte ich in die Avici-Hölle dort blieb ich lange Zeit,
Dann wurde ich im Körper eines Affen wiedergeboren.
Nur sieben kurze Tage lebte ich, bevor
Mich der Anführer der Affen kastrierte.
Das war die Frucht meiner Lüsternheit.
Nach dem Sterben in den Wäldern von Sindh,
wurde ich als Nachkomme einer einäugigen Ziege geboren
Und war zwölf Jahre ein lahmes, von Würmern zerfressenes, kastriertes Tier.
Zu nichts tauge trug ich Kinder auf meinem Rücken.
Das war die Frucht meiner Lüsternheit.

(p. 157)

Als nächstes wurde sie als Kalb geboren und wieder kastriert, und als Ochse zog sie Pflug und Karren. Dann, als die schlimmsten Früchte dieses schlechten Wirkens bereits gereift waren, kehrte Isidasi in den menschlichen Bereich zurück. Doch war es noch immer eine zweifelhafte Art von Geburt, denn sie war das zwittrige Kind eines Sklaven. Auch dieses Leben dauerte nicht lang. Darauf war sie die Tochter eines Mannes, der von Schulden geplagt war. Einer der Gläubiger ihres Vaters nahm sie mit anstelle der Bezahlung. Sie wurde die Frau des Sohnes von diesem Kaufmann, aber "sie brachte Zwietracht und Feindschaft in dieses Haus."

In ihrem letzten Leben, wurde sie, ungeachtet ihrer Bemühungen, in keinem Haus, in das sie als Braut gebracht wurde länger behalten, als eine kurze Weile. Ihr tugendhafter Vater vermählte sie mehrere Male mit den entsprechenden Männern. Sie versuchte eine perfekte Ehefrau zu sein, doch jedes Mal wurde sie hinausgeworfen. Durch diese Unfähigkeit mit einem Mann zu leben, wurde ihr eine Gelegenheit geschaffen, den Kreis der Bedingtheit zu durchbrechen. Nach ihrer dritten zerrütteten Ehe beschloß sie dem Sangha beizutreten. Alles Üble in ihrem Geist wurde durch die Meditation beseitigt, die Einsicht in die Vier Edlen Wahrheiten reifte und Isidasi wurde eine Arahat.

Sie entwickelte dann auch die Fähigkeit der Rückerinnerung an ihre vergangenen Leben und erkannte so, wie die ganze ursächliche Kette unheilsamer, weit zurückliegender Taten ihre Folgen in den nachfolgenden Leben herbeiführte:

So waren die Früchte meines Karmas,
Die mich sogar in diesem letzten Leben kränkten,
Obwohl ich sie voll Demut annahm.

Die letzte Zeile ihres Gedichts läßt die Vergangenheit, Wiedergeburt und all ihr Leid mit einer Art "Löwenruf" vollständig zurück: "Genug! All dem habe ich nun ein Ende bereitet". (S. 163)

Durch Isidasi's Erzählung erhalten wir einige lehrreiche Veranschaulichungen der unerbittlichen Wirkung des karmischen Gesetzes. Das Leiden, das sie wegen ihres sexuellen Fehlverhaftens durchmachen mußte, dauerte sieben schwierige Leben. Aber auch die Grundlage für Weisheit wurde gelegt und als die Kraft ihres schlechten Karmas aufgebraucht war, tat das früher von ihr geschaffene paramis seine Wirkung. So konnte Isidasi eine Bhikkhuni werden, ihren Geist vollkommen läutern und so alle möglichen Ursachen zukünftigen Leidens abschütteln. Anfang, Mitte und Ende jedes Lebens sind immer auf Ursachen und Bedingungen zurückzuführen.

* * *

Wir sind nun am Ende des Kreises dieser Therigeschichten angelangt und sind zurückgekehrt zum Thema der unpersönlichen Ursachen und Wirkungen, die sich gegenseitig bewirken, ohne Existenz eines beständigen Wesens, das die Folgen seiner Taten erfährt. Die anfangslose Reihe der von Unwissenheit und Leid erfüllten Lebenszeiten, wird solange wiederholt, bis angesammeltes paramis und gegenwärtige Weisheit, die noch von anderen Faktoren unterstützt werden, genug Stärke besitzen um uns zu befähigen, das Begehren zu durchschauen, weiches die Aufeinanderfolge der Daseinsgruppen unaufhörlich vorangetrieben hat. Dabei erhielten diese Bhikkhunis Klarheit, daß ihre Zuneigungen und Abneigungen die Quelle all ihres Leids waren. Aufgrund dieser Einsicht konnten sie das Wirrsal der alten, durch Täuschung hervorgerufenen Bedingungen lösen.

Mit dem vollständigen Durchdringen des Leides, d.i. die Erste Edle Wahrheit, und dem Fahrenlassen des Begehrens, d.i. die Zweite Edle Wahrheit, gelangte das Streben auf dem Achtfachen Pfad, d.i. die Vierte Edle Wahrheit zur Vollendung. Sie erreichten so das Ende des Leidens, d.i. die Dritte Edle Wahrheit, genau in diesem Leben und wurden nicht mehr wiedergeboren.

Die Gedichte dieser erleuchteten Nonnen erzählen davon, wie sie Buddha begegneten, wie sie Weisheit und anderes heilsames Wirken in vielen vorhergehenden Leben erzeugt hatten, wie sie die Lehren Buddha's verstanden und wie sie zu Arahats wurden; so bieten sie uns Inspiration und Anleitung. Sie können uns heute helfen, Vipassana-Meditation zu praktizieren und Einsicht in die verschiedenen Formen des Leidens und seine Ursachen zu erlangen. Indem wir Weisheit entfalten, werden auch wir imstande sein, die Banden des Begehrens zu lockern.

Mögen wir dem Beispiel dieser großen Nonnen und wahren Anhängerinnen des Buddha folgen. Unsere ernsthafte Nachfolge ist bestes Zeichen unserer Dankbarkeit für ihre Unterstützung. Möge unser Geist vollkommen weise, vollkommen klar werden, und vollkommen frei von jeder Möglichkeit zukünftigen Leidens.

Über die Autorin   

Susan Elbaum Jootla wurde 1945 in New York City geboren und erwarb an der Universität von Michigan den B.A. und M.A. in Bibliothekswissenschaften. Sie heiratete den Inder, Balbir S. Jootla, mit dem sie in der Bergstation von Dalhousie im West Himmalaya lebt. Beide haben seit 1970 Vipassana Meditation nach der Überlieferung des verstorbenen Sayadaw U Ba Khin aus Burma praktiziert und sind jetzt Schüler seiner ersten Anhängerin, Mutter Sayama, die das Internationale Meditations-Zentrum in England und Rangoon leitet. Ihre vorhergehenden Veröffentlichungen durch die BPS sind: "Rechter Lebensunterhalt: Der Edle Achtfache Pfad im Arbeitsleben" erschienen in Der buddhistische Laienanhänger (Wheel Nr. 294/295) und Untersuchungen für Einsicht (Wheel Nr. 301/302). Die Veröffentlichung ihres Buches Buddhismus in der Praxis, über die Tradition der Meditation von U Ba Khin, ist von Motilal Banarsidass, Indien geplant.

Anmerkungen   

1.
Dhammadinna wird in einem großeren Umfang unten auf S. 46-49 behandelt. {Siehe "Die fünf Daseinsgruppen und Nibbāna," darunter}
2.
Diese Geschichte steht im Zusammenhang mit den Kommentaren des Dhammapada, übersetzt als Buddhist Legends von E. W. Burlingame, veröffentlicht von der Pali Text Society. Siehe Teil 3, S. 225ff.
3.
In Pali, sakkaya. I. B. Horners Übersetzung des Wortes hier als "eigener Körper" mag etwas verwirrend sein. Auch wenn das Wort kaya wörtlich Körper bedeutet, bezieht es sich oft auf eine Ansammlung von Dingen, wie etwa ein "Körper von Leuten". Hier zeichnet es die Ansammlung von psycho-physischen Phänomen aus, welche der Weltling als Selbst ansieht.